2x Professor Manstein
wenn sie mich sehen, hat es nicht sehr viel genützt!“
„Was fehlt Ihnen?“
„Meine Ärzte behaupten, ich hätte es an der Lunge! Keine Tuberkulose – nichts Ansteckendes! Aber offenbar hat die Krankheit die unangenehme Begleiterscheinung, daß sie mich auszehrt! Ich habe, seitdem ich krank bin, wenigstens zwanzig Pfund abgenommen!“
Manstein sprach Daumier sein Bedauern aus – nicht nur deswegen, weil er es für schicklich gehalten hätte, sondern weil er wirklich Mitleid empfand. Erst dann wagte er, mit seinem Anliegen zu kommen.
„Ich habe hier etwas, was Sie interessieren dürfte, Daumier!“
Daumier zeigte sich interessiert.
„Ja? Zeigen Sie mal!“
Manstein packte seine Aktenmappe aus. Er legte Daumier die Blätter vor und begann, Erklärungen zu geben. Wenn er erwartet hatte, daß Daumier sich besonders berührt zeigen würde, so wurde er enttäuscht. Daumier äußerte zwar Beifall, jedoch war er offenbar nicht sonderlich erschüttert.
„Etwas Ähnliches stand seit langem zu erwarten“, sagte er. „Ich bin erfreut, daß ausgerechnet Sie es sind, der es gefunden hat!“
„Übersehen Sie denn, welch ungeheuere Folgen diese Gleichung hat?“
Daumier nickte.
„Natürlich! Unserem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum ist ein fünfdimensionaler Raum überlagert – und nicht nur das, dieser fünfdimensionale Raum birgt auch eine ungeheuere Vielfalt vierdimensionaler Raum-Zeit-Kontinua!“
Er sah Manstein erwartungsvoll an. Manstein nickte.
„Genau das ist es! Mein Kompliment, Daumier! Ich scheine Ihre Auffassungsgabe noch bei weitem unterschätzt zu haben. Ich kam hierher mit der Ansicht, daß ich wenigstens drei Tage darauf verwenden müßte, Ihnen das Problem klarzumachen; entschuldigen Sie!“
Daumier lächelte.
„Haben Sie schon einmal versucht, Randbedingungen so einzuarbeiten, daß das Problem sich verallgemeinern läßt?“
Manstein verstand nicht.
„Wie meinen Sie das?“
„Nun – aus jeder Gleichung, die sich mit dem Innern des Atomkernes befaßt, läßt sich durch Verallgemeinerung der Randbedingungen eine Gleichung ableiten, die auf makroskopische Vorgänge anwendbar ist! Haben Sie das schon getan?“
„Nein!“ antwortete Manstein wahrheitsgemäß. „Ich war so froh, daß ich mit diesem Ding fertig wurde, daß ich mir keine weitere Mühe gemacht habe!“
Daumier klatschte belustigt in die Hände.
„Das ist so recht eine Aufgabe für uns beide! Wenn Sie genügend Zeit haben, werden wir uns die nächsten Tage zusammensetzen und das Problem durchrechnen, einverstanden?“
Manstein nickte.
„Einverstanden!“
* *
*
Sie brauchten weniger als einen Tag – die Arbeit war nicht sonderlich schwierig. Das Ergebnis jedoch, das sie nach diesem Tag vor sich liegen hatten, war noch schockierender als das, was Manstein bisher angenommen hatte. Die Lösung der Gleichung auf das makroskopische Gebiet angewandt, besagte folgendes:
Das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum, in dem wir uns bewegen, ist Bestandteil eines fünfdimensionalen Überraumes. Dieser Überraum beherbergt jedoch nicht nur unser eigenes Raum-Zeit-Kontinuum, sondern nahezu unendlich viele Gebilde der gleichen Art.
In der praktischen Anwendung bedeutete dies: Jedes einzelne Atom existierte nicht nur ein einziges Mal in seinem Raum, sondern nahezu unendlich viele Male. Dementsprechend waren auch Professor Manstein oder Pierre Daumier nicht Einzelwesen, sondern nur jeweils eine einzelne Ausdrucksform eines Wesens, wie sie noch in zahllosen anderen Variationen in anderen Raum-Zeit-Kontinua existierte.
Nachdem sie zu diesem Schluß gekommen waren, begann Manstein, sich intensiv am Kopf zu kratzen.
„Daumier, diese Gleichung gefällt mir nicht!“
„Sie ist nicht sehr erfreulich, das gebe ich zu!“ sagte Daumier. „Jedoch ist sie nicht anzuzweifeln, und wir tun besser daran, uns mit ihr abzufinden!“
„Machen Sie den Anfang, Daumier!“ riet ihm Manstein. „Wie gefällt Ihnen der Gedanke, daß es auf einer anderen Erde noch einen anderen Daumier gibt – auf einer dritten Erde einen dritten Daumier – und auf unendlich vielen Erden unendlich viele Daumiers?“
Er schüttelte sich. Daumier zuckte nur mit den Schultern.
„Ich sage ja: Es ist wenig erfreulich! Aber wir müssen uns damit abfinden!“
Auch Manstein konnte sich dieser Forderung nicht entziehen. Er verabschiedete sich von Daumier, bedankte sich für seine tatkräftige Hilfe und nahm
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