2x Professor Manstein
durchaus Reales!“
„Für Sie vielleicht!“ antwortete Manstein, und seiner Stimme war anzumerken, daß er zumindest in diesem Augenblick von Inspektor Grewes nicht allzu respektvoll dachte.
„Haben Sie wenigstens herausbekommen“, fügte er hinzu, „was all diese Dinge bedeuten sollen?“
Grewes’ Gesicht wurde traurig. Er schüttelte den Kopf.
„Nein, wir haben bis jetzt noch keine Ahnung! Wir warten immer noch, daß Ihnen etwas einfällt!“
„Sie warten vergeblich! Ich habe bestimmt nicht die geringste Ahnung!“
Manstein stand auf und holte den Brief, den er heute morgen bekommen hatte.
„Hier! Versuchen Sie wenigstens herauszubekommen, mit welcher Schreibmaschine der Brief geschrieben wurde!“
Grewes nahm ihn in die Hand und begutachtete ihn.
„Das ist wenigstens etwas!“ sagte er.
Barbara lenkte die Unterhaltung in gemütlichere Bahnen, indem sie Kaffee anbot.
Grewes verabschiedete sich gegen vier Uhr nachmittags mit der etwas unbefriedigenden Gewißheit, daß Manstein von seinen sensationellen Eröffnungen nicht so beeindruckt worden war, wie er ursprünglich gehofft hatte.
Manstein verschlief den Abend und die Nacht und begab sich am nächsten Morgen wieder an seine Privatarbeit. Mit der Morgenpost kam abermals ein anonymer Brief. Diesmal enthielt er anstelle mathematischer Lichtblicke einen einfachen Hinweis:
Scheuen Sie sich nicht, aus dem Ergebnis Ihrer Arbeit die weitestgehenden Schlüsse zu ziehen!
* *
*
Bevor Manstein drei Tage später soweit war, daß ihm die Lösung des Problems gelang, hatte er noch ein Erlebnis, das ihm sehr zu denken gab.
Als er eines Morgens im Bad stand, kam Barbara herein.
„Entschuldige bitte – ich suche einen Fettstift!“
Er sah ihn vor sich auf der Glasplatte liegen und reichte ihn ihr. Sie wollte wieder hinausgehen, blieb jedoch erstaunt stehen. Er sah ihr entsetztes Gesicht im Spiegel.
„Was hast du?“ fragte er.
„Was – hast du da?“
Dabei deutete sie von hinten auf seine Schulter. Eine etwa handtellergroße Stelle war rot verfärbt.
„Aber, Liebling, das weißt du doch! Vor etwa fünfzehn Jahren habe ich mich dort verbrüht!“
Im Spiegel sah er an ihrem Gesicht, daß ihr diese Erklärung gar nichts besagte. Sie schüttelte fassungslos den Kopf und fragte mit einer nahezu weinerlichen Stimme:
„Aber warum sehe ich das heute zum erstenmal?“
„Kindchen, erinnere dich doch! Wir waren damals schon verlobt. Ich lief eine Woche lang mit dicken Verbänden herum! Du mußt das doch noch wissen!“
„Nein, ich weiß nichts davon!“
Sie unterhielten sich nicht weiter darüber; aber von diesem Augenblick an war eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen. Barbara schien es unerklärlich, wie der Fleck darangekommen sei, wohingegen Manstein es nicht fassen konnte, daß sie von der Wunde nichts wußte.
Kürz darauf gelang ihm die Lösung seines mathematischen Problems. Sie war phantastisch – phantastischer, als es die Physik erlaubte. Die Reifferscheidt’sche Gleichung war ein Versuch, sämtliches physikalisches Geschehen auf einen einzigen Ursprung zurückzuführen. Sie war ausgearbeitet worden für die Vorgänge im Kern eines Atoms. Dementsprechend erhielt auch Manstein nach Umarbeitung der Gleichung ein Gebilde, das die Vorgänge im Atomkern in einem fünfdimensionalen Raum betrachtete.
Er rechnete einige Beispiele durch, die er selbst angenommen hatte, und erhielt Ergebnisse, die ihm den Atem raubten. Für den Aufenthaltsort eines Kernteilchens zum Beispiel lieferte die Gleichung eine Wurzel, die unendlich vieldeutig war. Manstein war zunächst der Überzeugung, er habe sich irgendwo verrechnet. Dann jedoch erinnerte er sich an den letzten Brief, den er bekommen hatte, und ließ sich davon überzeugen, daß alles richtig war.
Er nahm von der Hochschule einige Tage Urlaub und fuhr nach Paris. Paris war der Sitz der ständig tagenden VEREINIGUNG EUROPÄISCHER NATURWISSENSCHAFTLER. Der Präsident dieser Vereinigung war Pierre Daumier; Manstein kannte ihn seit einigen Jahren und hatte eine hohe Meinung von ihm.
Daumier war sofort für ihn zu sprechen. Manstein hatte ihn vor einigen Monaten zum letztenmal gesehen und war entsetzt, welche Veränderung inzwischen mit dem Mann vor sich gegangen war.
„Sind Sie krank gewesen?“ fragte er.
„Ja, leider! Ich habe einige Wochen in der.
Schweiz verbracht; aber nach dem erschreckten Gesicht zu urteilen, das meine Bekannten machen,
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