2x Professor Manstein
gelang es nicht, mit sich ins reine zu kommen. Er hatte darauf verzichtet, die Straßenbahn zu benutzen, weil er Zeit zum Nachdenken brauchte.
Immer noch mit seinen Gedanken beschäftigt, kam er bis in die Nähe seiner Wohnung. Er hatte dabei die verkehrsreiche Innenstadt durchquert und auf seine Umgebung kaum geachtet. Jetzt fiel es ihm zum erstenmal auf, daß sich jemand hinter ihm hielt. Er blieb vor der Auslage eines halberleuchteten Schaufensters stehen und schaute vorsichtig zur Seite. Etwa hundert Meter hinter ihm kam schleppenden Schrittes ein Mann daher, der kein bestimmtes Ziel zu verfolgen schien. Seine Schuhe machten ein Geräusch, als seien sie mit lockeren Eisen beschlagen – und Manstein erinnerte sich dunkel, daß er dieses Geräusch schon seit einiger Zeit in den Ohren hatte.
Manstein ging weiter. Von diesem Augenblick an nahm er nicht mehr den geraden Heimweg, sondern bog um ein paar Ecken. Der Fremde hielt sich mit derartiger Konstantheit hinter ihn, daß es Manstein nicht schwerfiel zu vermuten, er werde verfolgt. Waren durch die Unterhaltung seine Gedanken heute abend ohnehin schon auf recht unerfreuliche Weise durcheinandergeraten, so brachte diese Beobachtung Manstein zur Weißglut. Er näherte sich seinem Haus bis auf dreihundert Meter und verbarg sich dann, zunächst noch durch eine Hausecke vor der Sicht des Unbekannten geschützt, in einem Eingang.
Als der Fremde vor der Türöffnung vorbeikam, sprang Manstein ihn an. Der Aufprall war so heftig, daß sie beide stürzten und über den Randstein auf die Straße rollten. Manstein hatte das Moment der Überraschung für sich. Bevor der Fremde seine Situation so deutlich erfaßt hatte, daß er hätte beginnen müssen, sich zu wehren, war er nicht mehr in der Lage dazu. Manstein hatte ihn mit wütenden Fausthieben zusammengeschlagen. Er nahm den Fremden beim Kragen, zog ihn über den Bürgersteig und lehnte ihn gegen die Hauswand.
„Und nun, Bürschchen, sag mir schnell, was du willst!“
„Ich weiß nicht …“, wimmerte der Fremde.
Manstein hatte nicht die Absicht, sich länger zum besten halten zu lassen. Er schlug noch einmal zu – diesmal ins Gesicht. Der Fremde sank haltlos in sich zusammen und fiel auf das Pflaster. Manstein beugte sich zu ihm hernieder. Die Augen des Unbekannten waren weit aufgerissen und verdreht. Er zeigte kein Zeichen von Leben mehr.
Manstein fiel zum erstenmal auf, daß der Fremde das gleiche ungesunde, eingefallene Gesicht hatte, wie vor einigen Tagen der Taxichauffeur. Ungeachtet der Tatsache, daß der Mann wahrscheinlich ebenso tot war wie der Chauffeur damals, begann Manstein, die Manteltaschen zu durchsuchen. Außer einem Taschentuch förderte er nur noch eine Brieftasche zu Tage. Er nahm sie an sich und eilte nach Hause, um Inspektor Grewes anzurufen. Von der Vermittlung erhielt er die Auskunft, daß der Inspektor dienstlich unterwegs sei.
Manstein benachrichtigte das Unfallkommando davon, daß er einen Mann niedergeschlagen habe. Auf die drängenden Fragen des Polizeibeamten hin antwortete er, er wolle sich zunächst mit Grewes in Verbindung setzen, bevor er Antworten gäbe.
Eine Viertelstunde später hielt mit quietschenden Bremsen ein Wagen vor dem Haus. Manstein wartete nicht, bis der späte Besucher klingelte; er öffnete die Haustür. Inspektor Grewes trat ein. Er keuchte wie ein Leichtathlet nach einem Dreitausendmeterlauf.
„Das war eine schöne Pleite!“ sagte er.
„Was?“
„Die Luitpoldstraße Nummer neunzehn, siebter Stock!“ sagte Grewes.
Manstein packte ihn am Arm.
„Waren Sie etwa dort?“
Grewes nickte.
„Was dachten Sie sonst?“
„Mann, wissen Sie nicht, daß Sie mich und meine Familie dadurch in höchste Gefahr bringen?“
„Nein, woher sollte ich das wissen!“
Manstein informierte Grewes in aller Eile über das, was ihm heute abend gesagt worden war.
„Und wie kommen Sie in die Luitpoldstraße?“ fragte er zum Schluß.
„Lieber Professor, die Kriminalpolizei achtet auf ihre Schützlinge! Sie haben gestern abend deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß Sie heute abend etwas Besonderes vorhätten. Selbstverständlich sind wir Ihnen gefolgt. Wir beobachteten, wie Sie in dem Haus verschwanden, in den siebten Stock fuhren und nach einiger Zeit wieder herunterkamen. Sie hatten das Haus kaum verlassen, als wir schon in der Wohnung waren. Wir …“
„Was haben Sie gefunden?“
„Außer den allgemein üblichen Einrichtungsgegenständen nur ein UKW-Sende-
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