3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
fast vor Diensteifer. Das Ehepaar besprach sich ein paar Minuten allein, und was immer Mrs. Suisami ihrem Mann sagte, brachte ihn dazu, das Scheckheft zu zücken. Michael fühlte sich erleichtert. Gut, die Familie würde das Haus unvorstellbar preiswert erwerben, und normalerweise ging Michael ein solches Geschäft gegen den Strich, aber diesmal nicht. Er wollte den Klotz unbedingt loswerden.
Simone begegnete seinem Blick. Sie hielt diskret einen Daumen hoch. Er schmunzelte und wollte auf sie zugehen, da erklang ohne jede Vorwarnung ein seltsam klapperndes Geräusch. Alle erschraken.
Die Suisamis redeten leise und aufgeregt miteinander, und auch wenn man sie nicht verstand, so hörte man doch Besorgnis heraus. Draußen braute sich ein Sturm zusammen, aber warme Luft wehte durch die offenen Fenster herein, und es gab keinen Grund, dass die Heizung ansprang. Doch alle Heizkörper schienen gleichzeitig anzugehen, zischten, klapperten und rasselten, als wäre das Wasser heiß genug, die Rohre zu sprengen.
Und richtig, im nächsten Moment spritzte auch aus dem Heizkörper im Empfangsraum eine wahre Fontäne.
5. KAPITEL
Ein Stunde später konnte man die Heizkörper wieder anfassen. Die veraltete Heizungsanlage hatte seitdem keinen Muckser mehr von sich gegeben. In ein paar Minuten war das ausgelaufene Wasser aufgewischt, und im Haus herrschte himmlische Ruhe.
Nur leider waren die interessierten Käufer auch nicht mehr da. Simone hatte zugesehen, wie die Suisamis überstürzt abgefahren waren. Bei der Geschwindigkeit, mit der sie aus der Einfahrt zurückgesetzt hatten, mussten sie jetzt bereits in den Bergen von Kentucky sein. Ms. Stanford hatte sich ebenso rasch verabschiedet.
„Das verstehe ich nicht." Michael stellte die Salatschüssel unsanft auf den Tisch. „Der Installateur kommt gleich morgen früh, aber als ich ihm am Telefon geschildert habe, was passiert ist, konnte er sich auch keinen Reim darauf machen."
Simone reichte ihm die gebutterten Brötchen. „Vielleicht spukt es hier", meinte sie trocken. „Und das Haus hat einen Geist, der nicht will, dass du es verkaufst."
„So etwas haben meine Brüder auch schon behauptet. Besonders Seth hat sich mit diesen übersinnlichen Erscheinungen beschäftigt. Für mich ist das reiner Unfug. Nach meiner Erfahrung gibt es für alles eine logische Erklärung." Er legte sich ein Steak auf den Teller. Innen rosig, nicht rot, und bestreute es mit frischem Pfeffer. Der Salat war ihre Schöpfung, aber er hatte ihn auch mit Cayennepfeffer nachgewürzt.
Simone liebte Cayennepfeffer. Sie wusste bloß nicht, warum sie wieder ihre Mahlzeit mit Michael teilte. Plötzlich war es nach sechs gewesen, und er hielt es für unsinnig, dass sie erst in den Ort fahren und sich ein Lokal suchen musste, wo er doch genügend zu essen im Haus hatte. Simone vermutete, dass er nicht gern allein aß. Wie konnte sie ihn auch nach der verrückten Katastrophe mit den Heizkörpern im Stich lassen?
„Na ja, wenn dir der Gedanke, dass unsere Großeltern hier her umspuken, nicht gefällt, dann habe ich auch keine andere Lösung", erwiderte sie.
„Deine Großmutter kann schlecht hier herumspuken. Sie lebt ja noch. Und von diesen blöden Heizkörpern will ich nichts mehr hören. Aber wolltest du mir nicht vorhin etwas sagen? Du hast eines der Tagebücher gelesen, stimmt's?"
Simone nickte. Jetzt erst kamen sie dazu, über das Thema zu sprechen. „Ich habe das erste gelesen, von 1929. Ich war überrascht über die Einzelheiten, die sie alle schildert. Es war wie eine Reise in die Vergangenheit."
„Was denn zum Beispiel...?"
„Sie hat den Film ,Erpressung' von einem Neuling namens Hitchcock gesehen, und ihren ersten Micky-Maus-Film. Micky Maus gefiel ihr besser. Sie hat auf dem Modell T von Ford fahren gelernt. Ihr Lieblingslied war ,Singin' in the Rain', obwohl gerade erst Jerome Kerns ,O1' Man River' im Radio gesendet worden war. Das gefiel ihr auch. Alkoholverbot war ,in'. Sie ist in alle möglichen Flüsterkneipen gegangen, aber nicht um zu trinken, sondern um zu tanzen. Tanzen hat sie über alles geliebt."
Michael brach ein Brötchen auseinander, ohne den Blick von ih rem Gesicht zu wenden. „Du hast etwas anderes erwartet, nicht wahr? Das hört sich alles gar nicht so wild an. Es klingt, als wäre sie sehr jung und unreif gewesen."
„Ich habe erwartet, Einzelheiten über ein affärenreiches Leben zu erfahren, so wie Gram es uns erzählt hat. Aber von dem, was ich gelesen habe,
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