3. Die Connor Boys: Diese Nacht kennt kein Tabu
berührte oder sich ihre romantische Ader unerwartet zeigte.
Draußen strich ein leichter Sommerwind über den Rasen. Er beugte sich weit über das
Fenstersims und war überzeugt, rundliche Blattformen zwischen den Grashalmen zu erspähen. Donnerwetter, es musste Stunden - nein Wochen - dauern, bis man auf ei ner Wiese einen ganzen Topf voll vierblättriger Kleeblätter fand.
Ein Wagen fuhr vor, dann noch einer. Michael warf das Fenster zu, lief aus dem Zimmer und hinunter zur Eingangstür. Zum Glück hatte der Alltag ihn wieder.
Michael interessierte es nicht, wen Paula diesmal mitbrachte, solange das Haus verkauft würde. Je eher das geschah, desto eher konnte er abreisen, in sein geordnetes Leben zurückkehren, zu seinen Söhnen und seiner Arbeit. Wenn er noch länger in diesem ver dammten Haus bliebe, konnte er für nichts mehr garantieren.
Er riss die Haustür auf... und stand vor neuen Problemen.
Ms. Stanford trug ein unübersehbares Kleid in grellem Rotgelb. „Ich hatte Ihnen gesagt, ich komme mit einer Familie", begrüßte Paula ihn, „aber vielleicht hätte ich Sie vorher fragen sollen, ob Sie etwas gegen Kinder haben..."
„Soll das ein Witz sein? Wie kommen Sie darauf, dass ich etwas gegen Kinde r haben könnte? Das Haus ist ideal für Kinder..." Er verstummte und sah an Paula vorbei.
Hinter Paulas Wagen stand ein Bus und ein Stückchen weiter Simones blauer Leihwagen. Sie war auch gerade angekommen und stieg jetzt aus, ein Päckchen Tagebücher unter dem Arm. Sie war ganz in Weiß, trug eine luftige Seidenbluse und Shorts, und nicht etwas so Aufregendes wie das weiße Satinkleid gestern Nachmittag. Ihr Haar glänzte in der Sonne. Bei dem reinen Weiß musste er an jungfräuliche Unschuld denken. Keine ander e Farbe kleidete sie so gut. Der Kontrast zu ihrer leicht gebräunten Haut war faszinierend sinnlich und verwirrend zugleich.
Sie entdeckte ihn jetzt auch und blickte mit einem Lächeln zu ihm herüber. Ein Lächeln, bei dem ein Mann dummerweise glauben konnte, sie würde sich freuen, ihn zu sehen. Sein Herz schlug doppelt so schnell. Er verstand nicht, wie ein erwachsener Mann auf einen einzigen Blick einer Frau so reagieren konnte. Plötzlich erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit, und sie lachte.
Michael folgte ihrem Blick. Die Türen des Busses hatten sich alle geöffnet, und ein Schwärm Kinder kletterte heraus und kam auf ihn zugelaufen. Er zählte elf, während sie sich an ihm vorbei ins Haus schlängelten. Verblüfft sah er Paula an.
„Wirklich ein ganzes Dutzend", raunte Paula ihm zu. „Sicher werden Sie verstehen, warum sie ein großes Haus brauchen. Die Finanzierung könnte ein Problem werden, aber bei dem Preis, den Sie verlangen, schaffen die O'Briens das auch."
Er fand keine Zeit, mit Simone auch nur ein Wort zu wechseln, denn sofort wurde sie von den Kindern abgelenkt. Er sah, wie sie einen der kleinen Strolche auffing, der das Treppengeländer heruntergerutscht kam. Gleich darauf rettete sie ein jüngeres Kind, das im Empfangsraum auf eine Kommode klettern wollte.
Sicher war es einfacher, mit einem Sack Flöhe fertig zu werden. Im Turmzimmer hallten die schrillen Stimmen nur so von den Wänden wider. Oben im Flur donnerte und knarrte der Boden von Wettrennen. Simone tauchte noch einmal mitten in dem Gewühl auf und bat ihn um den Schlüssel zur Bibliothek, und er durfte gar nicht an seine Geräte, die darin standen, denken. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich einen Daumenlutscher mit nasser Windel im Arm hielt. Aber das Baby war wenigstens still. Dabei beantwortete er gleichmütig Fragen nach der Heizung, Grundsteuern, Strom- und Wasserrechnungen.
Die Familie O'Brien blieb länger als drei Stunden. Michael war ein bisschen geschafft, aber seinetwegen hätten sie drei Tage bleiben können, nachdem er merkte, dass sie das Haus tatsächlich haben wollten. Offenbar fanden sie es nach ihrem Geschmack. Der Kauf war so gut wie abgeschlossen. Er fühlte das. Mr. O'Brien unterhielt sich mit Paula bereits über die Einzelheiten einer Finanzierung, als unglaublich seltsame Geräusche aus der Küche herüberdrangen.
Seit Stunden war das Haus eine einzige Geräuschkulisse, aber das hier war etwas anderes.
Die Erwachsenen verstummten, sahen sich an und liefen wie auf ein Kommando in die Küche.
Es war niemand darin. Nicht einmal eines der Kinder. Doch sämtliche Schranktüren flogen auf und zu, als würde ein Tornado hindurchfegen. Bis auf eine leichte
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