3 - Wächter des Zwielichts
gefangen genommen«, fügte ich unwillkürlich hinzu.
Was hatten einige Andere doch für eine komische Angewohnheit beim Fernsehen? Entweder glotzten sie irgendwelche hirnlosen Seifenopern oder die Lügenmärchen in den Nachrichten. Mit einem Wort: Menschen... Mit einem andern Wort: Vieh?
Die sind daran aber nicht schuld. Sie sind schwach und zersplittert. Sie sind Menschen, kein Vieh! Das Vieh sind wir. Die Menschen sind das Gras.
Ich stand da, gestützt auf den Schreibtisch der Sekretärin, und schaute zum Fenster hinaus, in die über der Stadt dahinziehenden Wolken. Warum hängt der Himmel über Moskau so tief? Nirgendwo sonst habe ich einen so tiefen Himmel gesehen ... höchstens noch im Moskauer Winter...
»Gras kann man mähen«, ließ sich hinter mir eine Stimme vernehmen. »Oder mit der Wurzel ausreißen. Was gefällt dir besser?«
»Guten Morgen, Chef«, sagte ich und drehte mich um. »Ich habe geglaubt, Sie seien nicht da.«
Geser gähnte. Er trug einen Morgenmantel und Pantoffeln. Unter dem Morgenmantel lugte ein Pyjama hervor.
Niemals hätte ich gedacht, dass der Große Geser einen Pyjama trägt, den Walt Disneys Figuren zieren! Angefangen bei Mickey Maus und Donald Duck bis hin zu Lilo und Stitch. Wie kann ein Großer, der schon Tausende von Jahren alt ist und ohne Probleme fremde Gedanken liest, einen solchen Pyjama tragen!
»Ich habe geschlafen«, erklärte Geser finster. »Ich habe süß und selig geschlafen. Allerdings bin ich erst um fünf Uhr morgens ins Bett gekommen.«
»Entschuldigen Sie, Chef«, sagte ich. Aus irgendeinem Grund kam mir als Anrede bloß »Chef« in den Sinn. »Ist heute Nacht viel los gewesen?«
»Ich habe ein interessantes Buch gelesen«, sagte Geser und setzte den Kaffeeautomaten in Betrieb. »Für mich schwarz mit Zucker, für dich mit Milch und ohne Zucker...« »Irgendwas Magisches?«, wollte ich wissen.
»Nein, zum Kuckuck, SF von Golowatschew!«, schnaubte Geser. »Ich werde in Rente gehen und ihn fragen, ob er mich als Koautor nimmt, damit wir zusammen Bücher schreiben! Hier, dein Kaffee.« Ich nahm die Tasse und folgte Geser in sein Arbeitszimmer.
Hier empfingen mich noch mehr Kuriositäten als beim letzten Mal. In einem der Schränke tummelten sich jetzt unzählige kleine Mäusefiguren aus Glas, Zinn und Holz, standen Porzellantassen und lagen Stahlmesser. An die Innenwand des Schranks war eine alte Broschüre der Freiwilligen Gesellschaft zur Zusammenarbeit mit Armee, Luftwaffe und Flotte der UdSSR geheftet, auf deren Umschlag eine Jury abgebildet war, die einen Fallschirm begutachtete, daneben lehnte eine einfache Lithographie mit einer grünen Waldlandschaft gegen die Wand.
Aus irgendeinem Grund - mir war absolut nicht klar, aus welchem - ließ mich das an eine Grundschulklasse denken.
An der Decke hing außerdem ein goldfarbener Hockeyhelm, der verblüffend an einen Glatzkopf erinnerte. Im Helm steckten einige Dartpfeile.
Mit einem Blick auf all diese Dinge - die irgendeine wichtige Bedeutung haben mochten, genauso gut aber auch nichts zu bedeuten brauchten - nahm ich in einem der Besuchersessel Platz. Und bemerkte, dass in dem Papierkorb aus Metall ein Buch mit einem bunten Einband lag. Ob Geser wirklich Golowatschew gelesen hatte? Dann beschloss ich, einen Blick drauf zu werfen, und kam zu dem Schluss, dass ich mich geirrt hatte: Da hieß es nämlich Meisterwerke der internationalen Science Fiction.
»Trink deinen Kaffee, morgens muss man das Hirn durchspülen«, brummte Geser immer noch in diesem unzufriedenen Ton. Er selbst trank seinen Kaffee geräuschvoll, schlürfte, und ich dachte schon, wenn ich ihm eine Untertasse und Würfelzucker brächte, würde er auch daraus trinken.
»Ich brauche Antworten auf ein paar Fragen, Chef«, sagte ich. »Auf viele Fragen.« »Die bekommst du«, meinte Geser nickend.
»Die Anderen sind in magischer Hinsicht viel schwächer als Menschen.« Geser runzelte die Stirn. »Quatsch. Das ist ein Widerspruch in sich.« »Aber die magische Kraft der Menschen...«
Geser hob den Finger und drohte mir. »Stopp! Verwechsel jetzt nicht die potenzielle Energie mit der kinetischen!«
Jetzt war die Reihe an mir, mich in Schweigen zu hüllen. Während Geser mit der Tasse in der Hand durchs Arbeitszimmer schritt und geduldig dozierte: »Erstens: Ja, alle Lebewesen sind in der Lage, magische Kraft zu produzieren. Alle Lebewesen, nicht nur Menschen! Sondern auch Tiere, sogar Pflanzen. Ob diese magische Kraft eine physische
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