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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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du dem alten Salib Feigheit vorgeworfen! Wo sind die Gefangenen, welche du befreit hast?“
    „Es gelang uns nicht. Ein Gewehr ging zu zeitig los.“
    „Das hätte deine Fatima nicht geschehen lassen sollen. Doch folge mir! Ich wußte, daß es so kommen werde, und habe dem alten Salib geraten, einstweilen in ein anderes Tal zu ziehen. Eure Familien werden ihm dorthin gefolgt sein.“
    Man sah es ihm an, daß er sich beschämt fühlte. Wir ritten fort und kamen bald in das neue Lager. Als die Christen uns sahen, eilten sie uns jubelnd entgegen.
    „Wie steht es, Emir?“ fragte Salib, indem er mir die Hände drückte. „Kommst du zur rechten Zeit? Sind die Kurden auf dem Weg zu uns?“
    „Nein; sie kommen nicht.“
    „So hat also Schir Saffi gesiegt?“
    Da dieser schwieg, antwortete ich:
    „Nein. Seine Fatima hat ihn schmählich im Stich gelassen. Er hat fliehen müssen und ist bis nahe von hier verfolgt worden. Wir haben ihn gerettet und die Kurden gezwungen, umzukehren.“
    „Ihr beide? Alle die Kurden?“ fragte er erstaunt.
    „Ja; durch eine List. Sie kommen, wenigstens in diesen Tagen, gewiß nicht wieder.“
    „So sind also die Gefangenen nicht frei geworden! Mein Sohn, mein Enkel und das Weib meines Sohnes! O, Effendi, wir haben deinen Rat befolgt und ohne Unterlaß zur Gottesmutter gebetet, daß sie uns die Gefangenen senden möge!“
    „Lächerlich! Was vermag Marryam, wenn ihr nichts tut, da Fatima nicht geholfen hat, obwohl wir uns so sehr bemüht und in Gefahr begeben haben!“ fiel Schir Saffi zornig ein, um seine Scham zu übertäuben.
    „Schweig!“ antwortete der Alte. „Grad daß ihr euch in solche Gefahr begeben habt, ohne daß es gelungen ist, das ist ein Beweis, daß eure Fatima nichts vermag. Wir sind hier geblieben, um zu unserer heiligen Marryam zu beten, und wenn wir recht glauben und es zu unserm Heile ist, wird sie –“
    Er hielt inne; er stand starr da, wie gelähmt, den Blick nach dem Eingang des Tals gerichtet. Die andern folgten diesem Blick und schrien laut auf vor Verwunderung, denn dort kamen die befreiten Gefangenen geritten. Der alte Salib streckte die Arme aus und rief:
    „O Marryam, o Marryam, o du gnadenvolle Gottesmutter! Wie ist mein Gebet erhört! Mein Sohn, mein Enkel, meine Tochter!“
    Er wollte ihnen entgegeneilen, brach aber in die Knie zusammen. Da warfen sie sich von den Pferden, knieten bei ihm nieder und schlangen weinend die Arme um ihn.
    Die andern wurden von den Ihrigen mit demselben Jubel empfangen. Nur Schir Saffi stand wortlos da und wie ein Träumender. Seine Tochter trat langsam auf ihn zu.
    „Vater!“ sagte sie leise und zagend, weil er keinen Laut des Willkommens, der Freude für sie hatte.
    „Du – du – auch – frei!“ stieß er endlich hervor. „Wer – wer hat dich – errettet?“
    „Dieser Emir aus Germanistan“, antwortete sie, auf mich deutend.
    „Der – der – welcher gar nicht dort gewesen ist!“
    Er wußte nicht, was er denken und was er sagen sollte. Ich entfernte mich, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit und Scham zu bringen.
    Hatte es am Festtag des Rosenkranzes ein Festessen gegeben, so gab es heut ein noch viel größeres, ein Freudenmahl, wie diese armen Leute sich selten eines gestatten durften. Niemand durfte sich davon ausschließen, auch Schir Saffi nicht, welcher dies wohl gern getan hätte. Ich schonte ihn; mein Hadschi Halef aber war nicht so großmütig; er nahm eine Gelegenheit wahr, ihn zu fragen:
    „Nun, sind wir Kröten, die im Schlamme stecken, sind wir Toren und Dummköpfe? Du sagtest: unsere Prahlerei gegen deine Tapferkeit. Wir haben deine große Tapferkeit gesehen; wir aber haben nicht, wie du, geprahlt, die Gefangenen zu befreien, und nun siehst du sie alle hier sitzen, auch deine Tochter und die anderen von euch, während du die christlichen Gefangenen nicht befreien wolltest. So sag nun, wer ist gnädiger und mächtiger? Wer vermag es, Gebete zu erhören? Fatima oder Marryam?“
    „Marryam!“ antworteten die Christen wie aus einem Mund; die Schiiten aber schwiegen.
    Sollten sie nicht auch in diesen Ruf einstimmen können? Ich blieb noch volle vierzehn Tage da, um dem, was ich begonnen hatte, gegen die Akra-Kurden Nachdruck zu geben. Das jetzige Tal war leichter zu befestigen als das vorige. Wir legten dichte Verhaue an und garnierten dieselben mit Dornen und andern Stachelpflanzen. Der Eingang wurde verbarrikadiert. Dann bauten wir Wohnungen, hübscher, gesünder und

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