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wollten.
„Ich sehe es Ihrem, Gesicht an, daß Sie an diese Möglichkeit nicht gedacht haben“, fuhr Cal fort. „Was kann sie also hier oben treiben?“
„Ich habe keine Ahnung. Ich zerbrach mir nicht den Kopf darüber, als ich ihr folgte. Vielleicht ist sie zu dem gleichen Entschluß wie ich gekommen, – die da unten im Stich zu lassen und in den Bergen das Ende abzuwarten.“
„Eine Frau in dieser Wildnis?“
„Manche Frauen bilden sich ein, es sei eine Kleinigkeit, zu primitiven Lebensformen zurückzukehren.“
„Vielleicht hatte sie eine ganz andere Absicht.“
Zen zuckte die Achseln. „Es könnte wichtig für uns sein, das herauszufinden“, sagte Cal.
„Dann wollen wir sie doch fragen“, schlug Zen vor. Der Gedanke, daß Nedra eine Spionin sein könnte, ließ ihm keine Ruhe.
„Sie wollen sie fragen?“ sagte Cal. „Sicher.“
„Gut, Sie stellen die Fragen. Ich höre zu. Und kommen Sie dabei nicht auf dumme Gedanken!“ Wieder krümmte sich Cals Finger um den Abzug. „Vergessen Sie nicht, daß Streifen, die nach Deserteuren suchen, diese zu erschießen pflegen, wenn sie sie kriegen.“
„Keine Angst“, sagte Zen. „Niemand wird nach mir suchen. Ich habe meine Spuren verwischt.“
„Wie haben Sie das fertiggebracht?“
„Einfach genug. Ich habe meine Erkennungsmarke mit der eines toten Kameraden vertauscht. Besser gesagt, ich habe ihm meine Marke umgehängt und seine vernichtet. Viel war ohnehin nicht von ihm übriggeblieben, jedenfalls nicht genug, um ihn zu identifizieren. Ein Oberst wird also als gefallen gemeldet werden, während der Soldat in die Vermißtenliste einzieht.“
„Kluge Idee“, nickte Cal beifällig. Zum erstenmal glaubte Zen so etwas wie Anerkennung in der Stimme des anderen zu entdecken.
Nedra lehnte gegen ein Gestell, das wohl einmal als Arbeitstisch in der Garage gedient hatte. Sie trug keinen Helm mehr, und ihr Haar war zerzaust. Als sie Zen eintreten sah, huschte ein Schein der Erleichterung über ihre Züge. Sie traf Anstalten, ihm entgegen zu gehen, ihre Augen sagten Zen, daß sie sich noch nie so gefreut hatte, ihn wiederzusehen, wie gerade in diesem Moment.
Bei ihr befand sich ein kleiner Mann mit krummen Beinen.
„Bleiben Sie stehen!“ fauchte er das Mädchen an, um sich dann an Zen zu wenden: „Wer, zum Teufel, sind Sie?“
Nedras Arme sanken herab, sie lehnte mit weißem Gesicht gegen den Tisch.
„Ed, das ist Kurt“, verkündete Cal. „Kurt gehört von jetzt an zu uns.“
Ed warf Zen einen giftigen Blick zu. „Und wenn er zehnmal zu uns gehört, lange wird er es bei uns nicht machen“, knurrte er. „Das Mädchen hier gehört mir.“
Zen wünschte, er hätte seinen Karabiner wieder in der Hand. Aber den Karabiner hatte Jake, und wenn es auch nicht schwer sein konnte, ihn ihm zu entreißen, so war da noch die MPi in Cals Hand, und Zen wußte, daß Cal bei der geringsten verdächtigen Bewegung schießen würde.
„Ich habe kein Interesse an dem Mädchen“, sagte Zen zu Ed. „Von mir aus können Sie sie haben.“
„Hm, das ist etwas anderes“, brummte Ed.
Hatten Zens Worte Ed erleichtert, so war die Wirkung auf Nedra entgegengesetzt. Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, biß sich aber dann auf die Lippen und schwieg. Zen war sicher, daß ihr Worte auf der Zunge lagen, wie eine Dame sie sonst nicht zu gebrauchen pflegte.
Cal lachte. „Ed ist mächtig empfindlich, wenn es um Mädchen geht. Lassen Sie sich dadurch aber nicht stören. Fragen Sie sie, was sie hier oben wollte.“
„Das geht Sie gar nichts an!“ zischte Nedra wütend. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, aber lassen Sie mich ungeschoren.“
Zen hob die Arme und ließ sie wieder fallen. Er wollte etwas sagen, aber Cal winkte ab.
„Wir werden es schon herausbekommen“, sagte er leichthin, und als Zen in seine Augen sah, erkannte er, daß Cal jedes Mittel recht sein würde, um Nedra zum Sprechen zu bringen. „Jetzt gehen wir erst einmal essen, es ist Zeit, und mir knurrt der Magen. Los, Jake, an die Arbeit!“
Jake wandte sich um und marschierte über die Straße auf eine halbverfallene Hütte zu. Der Krummbeinige, Cal, Nedra und Zen folgten ihm.
6. Kapitel
Die Mahlzeit bestand aus Brühe und Fleisch, das in einem großen verbeulten Topf auf den Überresten eines Herdes schmorte. Aus einer Ecke kramte Jake Blechteller und Löffel hervor und setzte sie auf einen wackligen Küchentisch.
„Es gibt viele wilde Rinder hier
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