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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
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Wangen, langes Haar blickte unter einem verbeulten Stahlhelm hervor.
    „Jake, freut mich wahnsinnig, dich wiederzusehen“, sagte Zen und schritt mit ausgestreckter Hand auf den anderen zu, als gäbe es keine auf ihn gerichtete Waffe.
    „Kurt Zen! Wann haben wir uns zuletzt gesehen? War es nicht damals, als …“ „In der Nacht, als Denver zusammenfiel“, vollendete Zen düster den Satz, und er schauderte bei der Erinnerung. Eine Bombe war in jener Nacht auf die große Stadt gefallen, und ganze Straßenzüge waren in den nächtlichen Himmel gewirbelt worden.
    „Ja, damals war es“, murmelte der Mann. „Ich glaubte, es hätte dich erwischt.“
    „Und ich nahm dasselbe von dir an. Was machst du hier in den Bergen? Und was geschah mit Marcia?“
    Kaum hatte Zen die Frage ausgesprochen, als er sie schon bereute. Bei der Erwähnung des Namens Marcia ging eine Veränderung in dem Gesicht des zerlumpten Mannes vor. Sein wechselndes Mienenspiel verriet, daß seine Gedanken zwischen Erinnerung und Vergessen wanderten, sie marterten ihn, flohen, kamen zurück und verschwammen wieder. Eben sagten seine Augen noch, daß er Zen, seinen früheren Obersten, wiedererkannte und leiden mochte, im nächsten Augenblick waren sie leer und tot, als gäbe es weder eine Gegenwart, noch eine Vergangenheit. In diesen Sekunden war Zen ein Fremder für ihn, ein Mann, dem man nicht trauen konnte und vernichten mußte.
    Damals, in Denver, war Jake ein junger, vielversprechender Fliegerleutnant gewesen. Er hatte Marcia geheiratet und schien eine sehr glückliche Ehe zu führen. Wie lange lag das zurück? Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte?
    „Sie – sie …“, begann Jake, und seine Stimme bebte vor Schmerz, und Trauer, „sie ist – tot. Ein Opfer der Radioaktivität.“ Für einen kurzen Moment waren seine Augen klar, aber der Schmerz der Erinnerung ließ seine Gedanken wieder in die Dunkelheit stürzen. Die Erinnerung schwand, aber die Qual blieb. „Marcia?“ wiederholte er flüsternd. „Oh, es geht ihr gut. Bei meinem nächsten Urlaub werden wir noch einmal Flitterwochen machen.“ Seine dunklen Augen begannen zu glühen, als er weitersprach, „Ich sehe sie, Kurt, sie wartet auf mich. Du mußt mitkommen, sie wird sich freuen, dich wiederzusehen, sobald ich Urlaub bekomme.“
    Zen hätte den anderen niederschlagen können, ohne auf Gegenwehr zu stoßen. Er hätte ihm das Gewehr entreißen können, aber er tat nichts dergleichen. Warum sollte er zu den Leiden des Mannes noch körperlichen Schmerz fügen.
    „Was ist hier los?“ fragte eine rauhe Stimme in die eingetretene Stille.
    Hinter Zen stand der Mann, der Nedra angerufen hatte. Nedra und der Mann, der den Lasso geworfen hatte, waren nicht mehr zu sehen. Nichts deutete darauf hin, wo sie geblieben waren. Der Mann trug einen kurz gestutzten Bart, seine langen, gelblichen Zähne erinnerten an ein Wolfsgebiß, aber die Augen blickten kalt und starr auf Zen. Feindseligkeit und Mißtrauen sprachen aus ihnen. Der Mann hielt eine MPi in der Rechten, deren Mündung auf Zen gerichtet war.
    „Hallo, Cal, ich …“, begann Jake und hielt verwirrt inne. „Dies ist einer meiner alten Freunde. Ich kannte ihn unten, als – als – er ist in Ordnung.“
    Cals Augen verrieten, daß er kein Wort von Jakes Gestammel glaubte. Er musterte Zen argwöhnisch von oben bis unten, ohne daß die auf Zens Magen gerichtete Waffe schwankte. „Was wollen Sie hier oben?“
    „Nehmen wir an, ich sei des Lebens da unten müde geworden“, erwiderte Zen. Er log nicht einmal, als er das sagte. Er war wirklich der Dinge müde. Millionen anderer Menschen ging es ebenso.
    Das Mißtrauen in Cals Augen blieb.
    „Was gibt es unten?“ fragte er. „Wie haben sich die Dinge entwickelt?“
    „Schlecht“, sagte Zen, und seine Stimme klang überzeugt.
    „Was war das für ein Getöse vorhin?“
    „Cuso hat sich den Spaß gemacht, eine Rakete loszulassen.“
    Cals Augen wurden lebendig. Diese Nachricht schien ihn zu interessieren. „Warum?“ wollte er wissen. „Was kann eine Rakete wert gewesen sein?“
    „Truppen, die auf sein Hauptquartier marschierten“, erwiderte Zen. „Das gefiel ihm nicht.“
    „Kann ich mir vorstellen“, brummte der Mann. „Gehörten Sie dazu?“
    „Allerdings.“
    „Wo sind die Soldaten jetzt?“
    „Auf dem Weg nach unten. Sie wollen unten sterben.“
    „Warum sind Sie nicht bei Ihnen geblieben?“
    „Ich hab’s satt“, sagte Zen. Er machte eine Handbewegung, die

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