Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
Vom Netzwerk:
gleiten. „Sie sehen wunderbar aus“, wiederholte er mechanisch. „Ausgeruht und zufrieden mit sich und der Welt, wie mir scheint.“
    „Ist es ein Wunder? Ich habe lange Zeit in der Wildnis verbracht, nun fühle ich mich wieder im Vorhof des Himmels.“
    „Was nennen Sie die Wildnis?“
    „Die Welt dort unten.“ Ihre Rechte beschrieb eine unbestimmte Bewegung, die alles Land in der weiten Ebene einschloß. Zen gähnte, der letzte Rest von Schläfrigkeit verschwand. „Was ich sagen wollte, Nedra – ich las in einem Buch, bevor ich einschlief, in dem erregendsten Buch, das ich jemals in Händen hielt. Hier, sehen Sie!“ Aber er suchte vergebens. Jal Jonnors Buch lag weder auf der Decke, die ihn gewärmt hatte, noch vor dem Bett. Es war verschwunden, und während seine Blicke durch den Raum irrten, kam ihm zu Bewußtsein, daß er nicht nur das Buch vermißte.
    „Das Buch ist fort!“ stellte er verdutzt fest. „Nicht nur das Buch. Auch die Maschinenpistole des Leutnants und meine Ausrüstung!“
    „Vielleicht haben Sie nur geträumt, daß Sie in einem Buch lasen“, sagte Nedra leichthin.
    „Habe ich vielleicht auch geträumt, daß ich eine Waffe hatte und verschiedene Ausrüstungsgegenstände besaß, als ich hierhergeführt wurde?“ fragte Zen ärgerlich. „Ich habe die Sachen doch selbst hereingetragen.“
    „Zugegeben, es stimmt“, nickte Nedra. „Die Erklärung ist einfach – man hat Ihnen die Sachen fortgenommen, während Sie schliefen.“
    „Und warum?“
    „Waffenbesitz ist hier nicht erlaubt. Niemand darf eine Waffe tragen. Es war keine Maßnahme, die sich gegen Sie persönlich richtete.“
    „Zum Teufel, was soll das …“, knurrte Zen wütend, aber dann beherrschte er sich und nahm sich vor, diese Frage später zu klären. Er hatte im Augenblick etwas Wichtigeres zu überdenken. Etwas, das sich nicht fassen ließ, eine vage Erinnerung an einen Traum, die aufgeblitzt und wieder erloschen war, bevor er von ihr Besitz ergreifen konnte. Ein Zug der Verwunderung trat auf sein Gesicht, als er sagte: „Ich weiß …“, dann aber abbrach, weil das, was er sagen wollte, ihm entfallen war.
    „Was wissen Sie?“ fragte Nedra.
    „Alles.“
    Nun malte sich die Überraschung auf ihren Zügen. „Alles? Sind Sie sicher? Kann ein Mensch denn alles wissen?“
    „Ja.“
    „Ganz gewiß?“
    „Zum Teufel, ja!“
    „Gut, dann erzählen Sie es mir“, forderte sie ihn auf, und es schien Zen, als senkte sich ein Vorhang über ihre Miene.
    „Ich möchte schon, aber die Erinnerung fehlt mir“, sagte er leise und mühsam, als forderte der Kampf, Vergangenes wieder lebendig werden zu lassen, seine ganze Kraft.
    In den blauen Augen des Mädchens war Zweifel zu lesen. „Sie gefallen mir nicht“, sagte sie offen. „Ich weiß auch, was Ihnen fehlt – ein vernünftiges Frühstück. Ihr Blutzuckerspiegel ist unter die Norm gesunken. Eine kräftige Mahlzeit, und Sie sind wieder auf dem Posten.“ Sie sprach fest und überredend, wie eine Gouvernante, die ein störrisches Kind zu überzeugen versucht.
    „Mag sein, daß Sie mit dem Frühstück recht haben“, gab Zen zu, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. „Ich weiß aber auch, was ich nicht brauchen kann – eine Untersuchung durch einen Nervenarzt. Ich bin nicht krank, und selbst, wenn mein Geisteszustand eine solche Untersuchung nötig machen sollte, denke ich nicht daran, mich ihr zu unterziehen.“
    Nedra stand kopfschüttelnd auf und ging zur Tür. „Ich bringe Ihnen das Frühstück, gedulden Sie sich eine Minute.“
    Zen starrte ihr nach. Er hatte das Gefühl, daß ein Riesenrad sich in seinem Kopf drehte, aber bevor er seine Gedanken ordnen konnte, erschien Nedra wieder. Das Frühstück bestand aus einer goldbraun gerösteten Maisspeise, die mit Butter und Honig angerichtet war. Es gab keinen Kaffee dazu, aber Zen vermißte ihn nicht allzu sehr. Er aß heißhungrig, bis der Teller blank wie ein Spiegel war.
    „Vielen Dank“, sagte er. „Sie haben einen hungrigen Löwen gespeist. Woher stammen die Nahrungsmittel?“
    „Wir bekommen sie“, antwortete Nedra ausweichend.
    „Soldaten nennen das organisieren“, lächelte Zen. „Machen Sie es ebenso? Cusos Leute verfahren nach dem gleichen Prinzip. Sie durchstreifen die Ebene und holen sich, was sie brauchen.“
    „Vielen Dank für den Vergleich“, sagte Nedra gekränkt. „Leider trifft er nicht zu. Wir sind keine Diebe.“
    „Also, woher bekommen Sie die Sachen dann? Ich weiß

Weitere Kostenlose Bücher