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300 - Unter Mutanten

300 - Unter Mutanten

Titel: 300 - Unter Mutanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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gaben sich aber der Argumentation geschlagen, dass durch das geöffnete Schott ohnehin schon genug Krankheitserreger hereingelangt sein dürften. Ihnen war klar, dass Sauerstoffmangel sie alle umbringen würde, ungefilterte Luft jedoch vielleicht nur ein paar von ihnen. Immerhin hatten sie durch die planvolle Keimbelastung der letzten Jahre einen gewissen Immunisierungsgrad erreicht. Manchen von ihnen wuchsen sogar wieder Haare.
    Dann begann das Sterben. Fast alle der dreihundert Menschen wurden krank, über hundertachtzig starben. Doch wer konnte schon sagen, wie viele es ohne die vorbeugende Maßnahme dahingerafft hätte. Glücklicherweise hatte man aus dem Blut von Lissas Vater noch vor dem Stromausfall ein schwaches Serum entwickeln können, das jedoch viel zu schnell aufgebraucht war. Ohne Strom war die Herstellung weiterer Serumsvorräte schlicht unmöglich. So profitierten vor allem die jungen Bunkerbewohner davon, die widerstandsfähiger waren als die älteren Leute.
    Dennoch stand es für viele Tage auch um Lissa nicht gut. Sie hatte den Immunisierungswahn ihres Vaters stets abgelehnt und bezahlte nun dafür. Inzwischen vermutete sie, dass sie nur deshalb überlebt hatte, weil das Serum aus verwandtem Blut bestand und ihr Körper es deshalb schnell verarbeiten konnte.
    Als die Welle des Sterbens abebbte, bedeutete das noch lange nicht das Ende des Elends, denn die Nahrungsvorräte neigten sich dem Ende zu. Brannt, Lissas Vater, war der Einzige von den Alten, der die Invasion der Keime überstanden hatte. Er schwang sich zum Bunkerleiter auf und befahl, dass man die Versiegelung zu den unteren Stockwerken löste und das Kraftwerk überprüfte.
    Das Ergebnis war erschütternd: Der Stromausfall hatte nichts mit den Trilithium-Kristallen zu tun. Das Grundwasser war erst fußhoch in den Generatorraum eingedrungen, die Maschinen selbst waren noch alle trocken. Und doch brachte es nichts, die verbrauchten Kristalle durch frische zu ersetzen.
    In ihrer Verzweiflung und vom Hunger geplagt ließen sich einige der Bunkerbewohner dazu hinreißen, auf die einzigen Fleischvorräte zurückzugreifen, die sie besaßen: ihre ehemaligen Mitbewohner!
    Lissa verabscheute diesen Gedanken - und wieder einmal war sie anderer Ansicht als ihr Vater. Wenn es darum ging zu überleben, müssten gewisse Grenzen überschritten werden, behauptete er. Und so geschah, was sie befürchtet hatte: Da sie über keine Möglichkeit verfügten, das Fleisch zu kochen, aßen sie es roh und wurden erneut krank. Keiner der zu Kannibalen gewordenen Bunkerbewohner überlebte, auch Brannt nicht.
    Eine gerechte Strafe, wie Lissa fand. Ihrer Ansicht nach gab es eben doch Grenzen, die man nicht überschreiten durfte.
    Am Ende waren es knapp achtzig Menschen, die sich in ihr Schicksal fügten. Sie unternahmen lebensgefährliche Tauchexpeditionen in das unterste Stockwerk und durchsuchten auch das darüberliegende. Sie bargen, was ihnen beim Überleben helfen konnte: weitere Leuchtstäbe, die die ständige Nacht wenigstens ab und zu vertrieben, Werkzeuge, Schusswaffen.
    Als besondere Ironie empfand Lissa, dass sie auf einen großen Vorrat von Gasflaschen und einen Kocher stießen, die Brannt und seinen Menschenfresserkumpanen das Leben hätten retten können.
    Das Problem der Ernährung blieb. Und so verfiel man auf eine Lösung, die im ersten Augenblick gefährlich, widerlich und ekelerregend erschien, aber immerhin moralisch vertretbar war: Sie jagten Taratzen.
    Der Bunker verfügte über etliche Notausgänge, die die Mutanten offenbar nicht alle kannten. Sie legten sich auf die Lauer, warteten, bis eine der wenigen freilaufenden Taratzen vorbeikam, und erlegten sie - was meistens erheblich schwieriger zu bewerkstelligen war, als es sich anhörte. Vor allem in den ersten Wochen verloren sie fünf der Jäger, doch nach und nach entwickelten sie eine gewisse Routine. Was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn sie überleben wollten?
    Der Geschmack des Fleischs war nicht annähernd so schauderhaft, wie sie befürchtet hatten.
    »Schmeckt wie Hühnchen«, hatte Gunner eines Tages gesagt, als er sich die Finger ableckte. Nicht, dass er gewusst hätte, wovon er da sprach. Später gestand er Lissa, dass dieser Satz in einem der Filme vorkam, die er so gern gesehen hatte. Damals, vor dem Stromausfall.
    Nur kurz danach setzte sich eine weitere Bezeichnung für gebratene Taratze durch, die Ruudi in einem Anfall von schwarzem Humor von sich gab: »Feinstes Lybekker

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