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302 - Wo der Wahnsinn regiert

302 - Wo der Wahnsinn regiert

Titel: 302 - Wo der Wahnsinn regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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sich der Ruf, ein Wunderheiler residiere in Swaanstein, ein Zauberer der Medizin.
    Seine Dienste ließ Rudowigu sich auf die eine und andere Weise fürstlich entlohnen. Einmal nahm er sich sogar eine Barbarenfrau, um zu versuchen, mit ihr ein Kind zu zeugen, doch als sie ihm keines gebar, schickte er sie wieder zurück. Er wollte und konnte nicht zugeben, seit dem Vorfall am Kratersee zeugungsunfähig zu sein, und er ärgerte sich darüber, dass alle seine Kinder aus der Zeit vor dem Kratersee nicht überlebt hatten.
    Um sich abzulenken, vertiefte er sich erneut in medizinische Studien und setzte nach und nach seine Wünsche um, die Ludwig den Zweiten betrafen. Inzwischen hatten fast alle aus seinem Volk deutsche Namen angenommen und dankten ihm seine Führung, indem sie sich seinen Regeln ergeben beugten. Er war der unumschränkte Herrscher und ließ nur noch wenige Männer nah an sich heran, so wie Stefaan, der immer mehr zu seinem treuesten Freund wurde.
    Rudowigu hatte es geschafft. Er hatte seine große Vision wahr gemacht, trotz aller Opfer. Aber eines gelang ihm nicht: Seine Träume wurde er nicht los. Nacht für Nacht sah er eine gigantische Welle, die vom Osten kam und Swaanstein zerstörte.
    ***
    Gegenwart
    Es war bald Mitternacht und im Dorf herrschte Stille. Xij kletterte vom Baum herab. Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
    Ein Befreiungsversuch Hanas ergab keinen Sinn. Er würde im schlechtesten Fall nur Opfer bedeuten, da Hana keine Gefangene war und mit Sicherheit selbst die Wachen alarmieren würde. Besser war es, das Mädchen in dessen Zelt aufzusuchen und mit ihm zu reden. Irgendetwas an Rudowigus Geschichte war oberfaul, und vielleicht konnte das Mädchen Licht ins Dunkel bringen.
    Sie musste Hana zu Matt bringen, damit sie gemeinsam beraten konnten, wie es weitergehen sollte.
    Am Boden angekommen, sah Xij sich um, konnte aber niemanden entdecken. Alle bis auf die Wachen am Dorfrand schliefen. Vorsichtig schlich sie von Deckung zu Deckung. Am Baum mit der genagelten Münze zog sie ihren Kampfstock aus dem Rucksack und huschte lautlos weiter, auf das Zelt von Hana zu.
    ***
    Da war Xij ja endlich! Aber was trug sie da bei sich?
    Matt starrte auf die schmale Gestalt, die zwischen den Findlingen aufgetaucht war und ihm ein Zeichen gab.
    Diesmal hatte Matt vorgesorgt. Als er an einer dünnen Schnur zog, die er bis zu einer entfernten Buschgruppe gespannt hatte, raschelte dort das Laub, was die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich lenkte.
    Als die beiden Barbaren – es waren andere als gestern – den Graben auf der Planke überwunden hatten, eilte Matt Xij entgegen. Mit ihrer Last würde sie ihren Stab nicht benutzen können. Was zum Teufel trug sie da über der Schulter?
    Als sie näher kam, blieb Matt die Luft weg. Es war der schlaffe Körper eines Teenagers! Hana? Natürlich, wer sonst?
    »Xij, was hat das zu bedeuten?«, zischte Matt. Er wusste nicht, ob er froh oder ungehalten über ihren Alleingang sein sollte. Ging alles glatt, war die Rettung bereits geschafft. Bemerkte man Hanas Befreiung vorzeitig, war hier in wenigen Sekunden die Hölle los.
    Aber zuerst galt es, die beiden über den Graben zu bringen. Matt überwand sich und watete in die ölig schwarze Brühe. Sie war so zähflüssig, dass er kaum vorankam. Bis zu den Knien sank er ein.
    Xij kam ihm entgegen. Auf halber Strecke übernahm er Hanas Körper und kehrte um, Xij mit sich ziehend. Sicher erreichten sie das Ufer und hielten nicht an, ehe sie den Waldrand erreicht hatten. Jeden Moment rechnete Matt damit, dass die Wachen zurückkommen und sie entdecken würden. Das alles dauerte viel zu lange!
    Unter einer Tanne hielt Xij schwer atmend inne. Sie war bleich und hustete verhalten, schien aber ansonsten okay zu sein. Die Anstrengung musste ihr ganz schön zugesetzt haben.
    Matt entschloss sich, seinen Ärger herunterzuschlucken. Wie es aussah, hatten sie verdammtes Glück gehabt.
    »Du bist verrückt!«, bescheinigte er Xij. »Hättest du nicht warten können, bis wir sie gemeinsam befreien?«
    Xij rang nach Atem und schüttelte den Kopf. »Hätte nicht funktioniert«, keuchte sie. »Sie war keine Gefangene.«
    Matt blickte sie verständnislos an. »Aber...«
    Xij erholte sich rasch. »Sie war freiwillig bei den Barbaren«, erklärte sie. »Warum, das weiß ich leider nicht. Ich wollte mit ihr reden, aber sie hat gleich Stress gemacht. Ich hatte keine andere Wahl, als sie knockout zu schlagen.«
    Matt zog die Stirne kraus.

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