305 - Nach Millionen von Jahren
Quart’ol sprach es trotzdem aus.
»Was ist, wenn sie das gar nicht will? Sie ist Manil’bud. Eine Hydree. Sie könnte lieber unter Hydriten leben wollen.«
»Sie ist tausend Menschen! Was bedeutet es da, dass sie irgendwann einmal Manil’bud war?« Matt schwieg und ahnte, wie falsch er mit dem liegen konnte, was er gerade gesagt hatte. Natürlich spielte Xijs erstes Leben eine große Rolle. Vielleicht zog es sie tatsächlich zurück in die Meere, nachdem sie den ersten Schock verarbeitet hatte.
»Ich bin wohl dazu verdammt, allein zu sein«, brachte er nach einer Pause hervor.
Quart’ol legte den Kopf schief. »Du bist nicht allein. Das warst du nie. Du findest deinen Weg, wie immer. Du bist nur durcheinander. Das legt sich.«
»Es war eine anstrengende Reise nach Gilam’esh’gad.« Matt wurde erst in diesem Moment richtig bewusst, wie sehr er sich nach Ruhe sehnte. In der ersten Zeit nach der Trennung von Aruula war er dankbar gewesen, kaum zum Nachdenken zu kommen. Jetzt fühlte er sich so weit, auch dafür sein Bewusstsein zu öffnen.
Er wusste aus seinen Life-Balance-Beratungen im Coaching als Pilot, dass er es sich nicht leisten konnte, Probleme wie diese auf Dauer einfach zu verdrängen. Wie nach jedem Flug im Kampfjet stand im Grunde ein ausführliches Debriefing an. Aber noch war er nicht so weit.
»Es wird weitergehen«, sagte er fest. Wenn alle Stricke rissen, würde er zu Rulfan nach Schottland reisen. Der brauchte sicher einen fähigen Mann bei seinem Projekt, ein Zentrum des Wissens und der Kultur zu errichten.
»Vielleicht entscheidet sich Xij ja auch für eine Weiterreise mit dir«, meinte Quart’ol aufbauend. »Schließlich hat Gilam’esh inzwischen E’fah. Und wie du es sagtest, ist sie wohl schon ziemlich lange ein Mensch.«
Matt nickte schwach. Er musste daran denken, wie selbstverständlich Quart’ol angenommen hatte, Xij wäre seine Begleiterin. War da tatsächlich nicht mehr zwischen ihm und der unbewussten Geistwanderin? Er schüttelte den Kopf. Nein. In ihm gab es Dankbarkeit und Freundschaft. Mehr nicht.
***
Der Rohling schwamm in der Nährlösung. Matt betrachtete das bionetische Material mit Faszination und Widerwillen. Besaß es wirklich kein Eigenleben? In Sub’Sisco [8] hatte er die Erfahrung machen müssen, dass bionetisches Material in seltenen Fällen sogar in der Lage war, ein eigenes Bewusstsein zu erlangen. Der geschlechtslose, weißliche Klon hatte eine humanoide Form mit nur schwach ausgeprägten Gesichtszügen. Es gab kein Lid, das hätte zucken können, und doch schauderte Matt. Der vorgebildete Hydrit wirkte wie etwas, das sich jederzeit im Nährtank aufsetzen und den Deckel hochstemmen konnte.
»Hübsch, nicht wahr?«, flötete Bel’ar mit einem Funkeln in den Augen, als wäre sie die stolze Mutter eines Junghydriten. »Einen so hochwertigen Rohling habe ich noch nie gesehen. Seine Reifung wird gerade einmal drei Wochen in Anspruch nehmen.«
Matt fuhr zu ihr herum. »Drei Wochen?« Das war eine verdammt schlechte Nachricht. Xij hing noch immer an der Maschine. Niemand wusste, ob sie mehr als eine Woche hatte. Auch Bel’ar nicht. Er sah, wie das Funkeln in den großen Augen der Hydritin erstarb.
»Ich...« Sie richtete sich auf und ragte ihm nun mit dem Gesicht bis zum Solarplexus. »Also, ich bin guter Dinge, dass Xij es schaffen wird. Solange die Maschine sie mit allem Nötigen versorgt und ihr Zustand stabil bleibt...«
»Geht es nicht schneller?«, fragte Matt nach. »Mit einem... Reifungsbeschleuniger oder so was?«
Bel’ar stemmte die Schwimmhände in die Hüften. Ihr Scheitelkamm schwoll kampflustig an. »Sag du mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe, Maddrax«, klackte sie verärgert. »Der Körper wird Reifungsbeschleuniger und zusätzliche Hormone erhalten. Und mit diesem Cocktail wird es drei Wochen statt mehrerer Monate dauern. Im Notfall kann man den Klon früher beziehen, aber das ist ein hohes Risiko und frühestens in einer Woche deiner Zeitrechnung möglich. Aber ich rate dringend davon ab.«
Matt atmete tief ein. Die Membranen im Schutzhelm versorgten ihn mit frischem Sauerstoff, den er dringend brauchte. »Schon gut. Ich mache mir Sorgen, verstehst du?«
Bel’ar nickte versöhnlich. »Natürlich. Für dich ist das, was für mich hervorragend schnell ist, quälend langsam. Aber vertrau mir und Garis’neh. Wir halten Xij stabil, bis der Körper so weit ist.«
Matt senkte den Kopf. »Du versprichst mir Wunder.« Erst
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