307 - Späte Vergeltung
dass sein Blutsbruder ihn zum gemeinsamen Mahl eingeladen hatte, denn Rulfan war in den letzten Tagen wegen Matts ständigen Vorwürfen auf Distanz gegangen. Wahrscheinlich hatte Matt es nur Myrial zu verdanken, dass er nicht längst schon hochkant aus der Burg geflogen war.
»Steter Tropfen höhlt den Stein«, sagte Rulfan plötzlich. Er kaute eher lustlos auf einem Stück kaltem Shiipbraten herum.
»Was meinst du?«
»Was werde ich wohl meinen, Matt?« Es klang fast aggressiv. »Möglicherweise habt ihr recht. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das Bündnis mit Chan richtig ist.«
Matt lächelte. »Das freut mich zu hören. Was hat deine Meinung geändert?«
Rulfan funkelte ihn an, als sei Matt der Feind. Er spannte seinen Oberkörper und beugte ihn nach vorne. In diesem Moment hatte er etwas von einer angriffslustigen Schlange. »Verdammt, Matt, ich mag manchmal etwas gutgläubig sein, aber blind und blöd bin ich nicht. Ich sehe sehr wohl, dass Chan sich nicht wie ein Freund, sondern wie ein Besatzer benimmt, auch wenn er noch so freundlich und zuvorkommend tut. Und ich frage mich langsam, ob seine Reue wegen des Überfalls auf meine Burg tatsächlich echt oder nur gespielt war. Ein paar Bemerkungen seinerseits lassen mich daran zweifeln.«
»Du zweifelst zurecht«, erwiderte Matt eindringlich, während sich Rulfan wieder entspannte. »Und ich freue mich, dass du nicht den sturen Dickkopf spielst, der weiter an seinem Kurs festhält. Jeder kann sich mal irren. Chan ist nicht zu trauen. Möglicherweise versucht er dich für etwas einzuspannen, von dem wir keine Ahnung haben. Ich weiß natürlich, dass es verlockend ist, ihn zum Verbündeten zu haben bei dem, was du vorhast. Aber du wirst sehen, dass du deinen Hort auch ohne ihn mit Wissen füllen kannst.«
Rulfan schluckte schwer. Er hörte diese Worte nicht gerne. Doch dann nickte er kurz und hart. »Gut. Ich werde also das Bündnis mit Chan lösen. Aber das wird nicht einfach sein. Ich weiß nicht, ob er freiwillig geht. Wir werden gemeinsam über eine Lösung nachdenken, mein Lieber. Schließlich hast du mir diese Suppe eingebrockt.«
»Ich bin dabei.« Matt streckte ihm die offene Rechte hin. »Wieder Freunde?«
Rulfan schlug ein. »Blutsbrüder.«
***
Es war fast undurchdringlich dunkel in den Wäldern unterhalb Canduly Castles. Trotzdem fand Huul den Weg traumhaft sicher. Nur selten musste er seine Taschenlampe einschalten und dann immer nur für einen kurzen Moment. Der Anführer der Celtics, ein kleiner sehniger Mann mit Ratzengesicht und stechenden schwarzen Augen, führte das »Kommando Chan« an. Es bestand aus ihm, neun seiner Männer und Xij, die sich zähneknirschend hatte unterordnen müssen. Denn Jed traute seinen Männern in dieser Beziehung wesentlich mehr zu als ihr.
Vor einer kleinen, mit einem Wurzelgeflecht überzogenen Steilwand blieben sie schließlich stehen. Huul, der ansonsten sehr wortkarg war und für den Xij kaum Sympathien aufbringen konnte, brachte seinen Mund an ihr Ohr. »Hier fängt der alte Geheimgang an«, flüsterte er. »Durch ihn komm’mer über die Verliese direkt in den Südturm.«
»Woher kennst du den Gang?«
»Turner und sein Freund Wyett ham ihn vor einiger Zeit gefunden. Myrial, die Herrin von Canduly, hat’s meiner Herrin Nimuee erzählt.«
»Und du hast den Gang natürlich gleich erkundet.«
»Klar. Wer seine Umgebung am besten kennt, überlebt am längsten. Jetzt aber los.«
Die Männer und Xij zogen sich die Kapuzen ihrer Mäntel über den Kopf und überprüften nochmals ihre Waffen. Es waren verschiedene Waffe, so wie ihr Outfit aus unterschiedlichen Kleidungsstücken bestand. Sollten sie gefasst werde, würde nichts verraten, dass sie Teil von Jed Stuarts Truppe waren.
Huul zerfetzte das Wurzelgeflecht mit seinem Schwert und leuchtete darauf. Tatsächlich tat sich ein finsterer Gang auf. Einer nach dem anderen schlüpften sie hinein, Xij direkt hinter Huul. Sie gingen einen feuchten, von Moosen überwucherten, gemauerten Gang entlang, der leicht nach oben führte.
Es gab Zwergsiragippen und auch einige Ratzen hier unten. Als eine der faustgroßen schwarzen Spinnen aus dem Lichtkegel von Huuls Lampe zu fliehen versuchte, schleuderte Xij blitzschnell das Wurfmesser, das Jed ihr gegeben hatte. Mit einem hässlichen Knirschen bohrte sich der Stahl zielsicher in den Körper des Tieres.
Xij grinste, zog das Messer aus der Siragippe und wischte den grünlichen Schleim auf der Klinge an einer
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