31 - Und Friede auf Erden
Governor einen Brief, den ich in der Tasche habe.“
„Was ist das für ein Buch?“
„Wir haben es auf der Brandstätte unseres Tempels gefunden, in welchem Euer Missionar wohnte. Als wir die Asche fortschafften und die Trümmer auseinanderräumten, war der steinerne Altar eingefallen, und unter diesen Steinen lag, von ihnen beschützt, das Buch, so daß es nicht mit verbrennen konnte. Ist das nicht wie ein Wunder? Der Priester hat es sofort sorgfältig eingepackt und einen Brief geschrieben. Ich aber mußte mich auf die Reise machen, um Euch beides zu bringen.“
Er hob das Päckchen empor, um es mir zu zeigen. Da kam mir ein Gedanke. Ich dachte an das Gedicht ‚Tragt Euer Evangelium hinaus!‘ Nichts konnte mir da passender sein als das Erscheinen dieses Eingeborenen mit dem Buch. Das war ja die beste Gelegenheit, der ersten Strophe jetzt die zweite hinzuzufügen! Übrigens war die Sendung dieses Boten ein abermaliger Beweis der fast beispiellosen Ehrlichkeit der heidnischen Bergmalaien.
„Zeig es einmal her!“ forderte ich ihn auf.
Er gab es mir. Es war in große, papierähnliche Pflanzenblätter gewickelt und mit einer Bastschnur fest umwunden. Als ich es geöffnet hatte, sah ich, daß es ein Neues Testament in englischer Sprache war. Ein blauseidenes, miteingeheftetes Band, das Einzeichen bildend, lag bei dem dreizehnten Kapitel des ersten Korintherbriefes, welches bekanntlich beginnt:
„Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel redete und hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder wie eine klingende Schelle“ usw.
Ich hatte die auf Seite 219 dieses Buches bereits angeführten acht Zeilen in meinem Notizbuch stecken, nahm dieses Papier heraus und ließ mir von dem Kellner Tinte und Feder geben. Das Einzeichen ließ mich vermuten, daß die angegebene Bibelstelle diejenige sei, welche man entweder zuletzt gelesen habe oder überhaupt gern aufzuschlagen pflegte. Zudem paßte sie wie fast keine andere zu dem Inhalt des Gedichts. Darum probierte ich die Tinte auf ihre gleiche Schwärze und gab der Strophe die Überschrift ‚1. Korinther 13‘. Als es trocken geworden war, legte ich das Papier in dieses Kapitel und hüllte dann das Neue Testament genau wieder so ein, wie es gewesen war, hierauf gab ich es dem Malaien zurück, fügte ein Trinkgeld hinzu, um seine Verschwiegenheit zu belohnen, und sagte:
„Du kannst den Tuwan nicht sprechen, denn es darf niemand zu ihm, weil er krank ist. Aber du wirst nach seiner Tochter fragen und ihr das Buch geben, nur ihr, keiner andern Person. Verstanden?“
„Ja“, nickte er.
„Es darf niemand erfahren, daß ich etwas in das Buch gelegt habe. Du wirst also weder ihr noch einem andern Menschen sagen, daß du mich hier gesehen oder gar mit mir gesprochen hast!“
Er steckte das Trinkgeld ein und versicherte:
„Ich schweige wie ein toter Baum, der keine Blätter mehr hat. Er kann nicht einmal mehr flüstern!“
„Du wirst mich überhaupt gar nicht erwähnen, auch gegen den Tuwan Governor nicht, wenn du ihm den Brief deines Priesters gibst. Und dann, wenn du deine Botschaft ausgerichtet hast, kommst du wieder hierher, um noch eine zweite Belohnung zu erhalten. Ich muß wissen, ob du alles genauso hast tun können, wie ich es wünsche.“
„Werde ich auch den großen Sahib aus China treffen, dem wir so gern gehorchen, weil wir seinen Vater lieben?“
„Wenn du es wünschst, ja. Aber auch er darf nicht erfahren, daß du hier bei mir gewesen bist und wieder zu mir kommen wirst!“
„Du brauchst keine Sorge zu haben. Ich weiß von unserem Priester, daß Ihr gute Menschen seid, die absichtlich Böses niemals tun. Es ist also nur Erlaubtes, was du von mir verlangst, und ich werde es genauso tun, wie du gefordert hast.“
Er verbeugte sich tief und ging. Es dauerte fast ein Stündchen, ehe er zurückkehrte. Aber er kam nicht allein, sondern mit meinem Sejjid Omar. Sie führten sich Hand in Hand wie Brüder. Er mochte ahnen, was ich dachte, und sagte darum schnell:
„Zürne nicht im voraus, sondern höre erst, was ich sage! Dieser mein Freund hat nichts erfahren, gar nichts, kein Wort. Er sieht erst jetzt, daß du dich hier befindest. Er ist dein Diener, und er ist dir treu; das weiß ich ganz gewiß. Dennoch werde ich auch weiter zu ihm schweigen. Aber ich bitte dich, für jetzt mit ihm zusammenbleiben zu dürfen. Mein Weg war weit; ich habe mich auszuruhen, und er will mir dabei Gesellschaft leisten. Dein Wille ist
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