Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
war.
    „Yin – – –! Liebling – – –! Engel – – –! Abgott – – –! Es stimmt, denn ich wollte sagen, daß ich da direkt zur Herrin, zur Gebieterin des Schlosses komme, und – – – paß auf. Das wird sofort geschehen, sofort!“
    Er sprang vom Brunnen hinweg und eilte die Treppe hinauf. Ich sah ihn erst beim Mittagessen wieder.
    Was mich betrifft, so erhielt ich ein Wohnzimmer und ein Schlafgemach, von denen aus ich eine weite, weite Aussicht nach Westen, nach Süden und auch bis hinüber nach dem Meer hatte. Mein Sejjid Omar wohnte neben mir. Wir hatten uns auf einen längeren Aufenthalt hier einzurichten und bekamen darum von der Jacht aus unsere Koffer nachgeschickt.
    Das soeben erwähnte Mittagessen fand ohne die Schloßherrin statt. Sie wurde von John damit entschuldigt, daß sie von einer Arbeit festgehalten werde, welche ganz unbedingt sofort noch zu vollenden sei. Was für eine Arbeit er meinte, das sahen wir nach Tisch, als er uns in Castle herumführte, um uns die Räume desselben zu zeigen. Wir waren dabei alle beteiligt, außer Waller, welcher bei unserer Ankunft für einige Minuten aufgewacht und dann aber wieder eingeschlafen war. Doch wenn ich sage, daß John Raffley uns geführt habe, so ist das eigentlich nicht ganz richtig, denn der, welcher voranging, um alle Türen zu öffnen und uns, bevor er dies tat, stets sagte, was für einen Raum wir nun zu sehen bekommen würden, das war nicht der Neffe, sondern sein Onkel, der Governor. Es machte diesem nämlich ein herzliches Vergnügen, uns zu beweisen, daß das hiesige Schloß, wenigstens betreffs der Räume und ihrer Bestimmung, dem heimatlichen vollständig gleiche. Wenn er uns sagte, was nun für eine Stube kommen werde, und es stimmte, so war er stolz, es schon vorher gewußt zu haben. So auch, als er sich bemühte, eine hohe, dunkle Tür zu öffnen, in deren Schloß ein altertümlicher, pistolengroßer Hohlschlüssel steckte.
    „Das ist der Hauptraum unseres ganzen Schlosses“, sagte er, das ‚unser‘ für ganz selbstverständlich haltend, „nämlich der Ahnensaal. Daheim ist er schon so voller Bilder, daß man ihn nun wird vergrößern müssen; hier aber bin ich selbst im höchsten Grade neugierig, was man an die Wände gehangen haben wird. Wir befinden uns zwar im klassischen Land des Ahnenkultes, aber man kann in China doch unmöglich wissen, wie so ein alter, längst verstorbener Englishman, ein echter, toter Raffley auszusehen hat!“
    „Oh!“ widersprach sein Neffe. Da klirrte das Schloß, und die Tür ging auf. Da hingen sie, alle, alle, genau dieselben und auch genauso groß wie drüben in der Heimat, freilich nicht in Öl und Farbe, sondern nur in schwarzer Kreide, die Lichter weiß gegeben. Und auf dem langen Mitteltisch lagen die Blitzphotographien, welche John aus England mitgebracht hatte, um seine Ahnen von chinesischen Künstlern nach ihnen zeichnen zu lassen. Die Maler des ‚Reiches der Mitte‘ sind bekanntlich grad in Beziehung auf die Genauigkeit des Kopierens unvergleichlich.
    Der Governor war zunächst ganz still vor Erstaunen. Er ging von Bild zu Bild und sagte nichts, schüttelte nur immer den Kopf. Aber als er an dem letzten kam, ganz hinten, oder auch ganz vorn, wie man es nehmen wollte, da ließ er einen lauten Ruf der Überraschung hören, so daß wir hingingen, wo er eben stand. Es war sein eigenes, und zwar sehr wohlgetroffenes Bild! Eine schmale, hohe Leiter, deren Sprossen gepolstert waren, lehnte in der Nähe. Indem der ‚Uncle‘ auf diese Leiter deutete, sagte er:
    „Ich begreife! Dieses mein Porträt war fertig, bis auf das Gesicht. Man mußte da warten, bis ich kam und Yin mich sah. Ich merkte es ihr an, als ich zum ersten Mal mit ihr sprach. Sie studierte mein Gesicht, jeden einzelnen Zug besonders. Ich erinnerte mich hieran erst dann, als ich hörte, daß sie male. Dann bist du mit ihr sofort hierher geritten, daß sie das Porträt vollende. Als wir vorhin aßen, war sie noch nicht ganz fertig. Darum fehlte sie. Habe ich recht, lieber John?“
    „Nein, lieber Onkel – und doch auch ja!“ antwortete der Gefragte. „Dieses dein Konterfrei ist schon längst fertig, auch nach einer Photographie gemacht. Aber ein anderes war zu vollenden, ganz ebenso nach einem Photo von dir angelegt, und zwar von der eigenen Hand des von dir so gefürchteten Gespenstes, dem du nicht einmal – – –“
    „Schweig, schweig!“ unterbrach ihn der Alte, über das ganze Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher