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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Besuchergruppe in den Zoo, und an jedem Tisch hockt ein gefährliches Tierchen. Die fette Stahltür öffnet sich, ich stehe auf, und in dem ganzen Pulk aus Frauen, Verlobten, Freundinnen, Kindern finde ich meine Süße sofort, weil sie einfach Weltklasse aussieht, super angezogen ist. Aber jetzt steht sie in meinem neuen Zuhause, und das sind zwei Sachen, die passen nun überhaupt nicht mehr zusammen.
    Ich verkriech mich in ihren Hals, sie ist so weich und riecht so gut, so nach Mädchen, dass ich sofort weinen muss, und sie auch, aber das ist uns beiden egal. Es spielt überhaupt keine Rolle, welcher Mitgefangene oder Beamte das mitkriegt. Wenn da einer drüber Witze macht, dann gibt es gleich aufs Maul, dann ist hier sofort Feierabend. Es macht aber keiner einen Witz. Wahrscheinlich ist sowieso allen klar, dass so ein Besuch hier drin so wichtig ist, dass sich jede Art von Spruch von selbst verbietet, wie abgefuckt die Leute hier drin auch immer sind, aber das scheint mir unter ihnen doch eine absolute Grundregel zu sein.
    Meine Süße sagt: »Baby, Baby.«
    Aber ich schluchze nur noch. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hatten wir Sex auf der Toilette, und ich hab auf cool gemacht, weil’s mir aber auch so ging. Jetzt fühle ich mich wie in Blut aufgeweicht und versuch auch gar nicht erst, irgendwie souverän abzuschneiden. Ich will unsere Zeit nicht mit einer »Na, wie geht’s?«-Nummer verschenken, darauf kann ich verzichten. Wir haben nur eine Stunde, da will ich nur Ernsthaftes reden. Ich schau sie an, ich seh gar nichts anderes, voll der Tunnelblick.
    Wir fangen gleich bei unserem letzten längeren Telefonat wieder an, als ich grad gehört hatte, dass ich in den Geschlossenen weggesperrt werde, und sie meinte, völlig egal, wir kriegen das hin. Das scheint sie immer noch zu denken. Wenigstens nimmt sie meine Hand und spricht in mein verheultes Gesicht, so als sei sie viel älter als ich, meine Süße, wächst voll über sich hinaus.
    »Ich weiß, das ist hier bestimmt alles grade echt furchtbar für dich«, sagt sie. »Aber mach dir keine Sorgen, ich bleib bei dir. Ich bin total stolz, wie du das hier handhabst.«
    Eigentlich war mir im Innersten danach, ihr klarzumachen, dass das mit uns alles keinen Sinn mehr macht, aber jetzt merke ich, wie unglaublich beruhigend sie auf mich wirkt. Ich hatte ihr ja auch etliche Male, bevor ich überhaupt im Gefängnis war, versucht zu erklären, dass sie mit mir bitte keine Beziehung zu führen hat, weil das würde nur Unglück geben, für sie, für mich, für alle, und genauso ist es ja auch gekommen. Aber entweder ist sie eine verdammt gute Schauspielerin, oder sie setzt sich jetzt schon wieder drüber hinweg. Obwohl, würde sie mir, so gefährdet wie ich grade bin, überhaupt irgendwas anderes sagen?
    Auf der einen Seite bist du total glücklich, dass du nicht auf die Zelle gehen musst und weißt, alles vorbei. Auf der anderen Seite fickt das deinen Kopf erst richtig, weil du der anderen Person gar nichts zurückgeben kannst. Du entwickelst sofort ’nen extrem krassen Selbsthass, auf dich selbst und die Situation und was du der anderen Person antust. Du möchtest jemanden, der dich so dermaßen liebt, auf gar keinen Fall unglücklich machen. Stattdessen siehst du direkt vor dir: Ich mache diese andere Person gerade richtig traurig, allein mit meiner puren Existenz. Ich hab jemanden, der viel zu schön, viel zu lieb, viel zu positiv ist, in diese Umgebung reingebracht.
    Ich sag ihr bestimmt hundertmal: »Ich schäme mich so.«
    Der Grund, warum meine Süße nicht auf täglicher Basis Sex hat, bin ich. Der Grund, warum ihr niemand hilft, die Waschmaschine hochzutragen, bin ich. Der Grund, dass sie niemand tröstet, wenn sie Misserfolge im Job hat, bin ich. Der Grund, warum sie alleine einschläft, bin ich. Alles Negative, was diese Frau erlebt, hängt mit mir zusammen. Da findest du persönlich keinen wirklichen Grund, warum sich das jemand antun sollte. Ich komm mir vor, als sei ich völlig verpickelt, schlecht riechend und so und denke immer, lassen wir es lieber.
    Aber sie sagt, als sei sie total klar im Kopf: »Du musst damit aufhören. Du musst damit aufhören, so zu denken.«
    Und ich, so beeindruckt, kann nur sagen: »Ich versuch’s ja.«
    Es klingt komisch, aber auf der einen Seite gibt sie mir grad total viel Kraft, auf der anderen Seite verletzt sie mich sehr, weil ich mir plötzlich so klein und unerwachsen vorkomme vor ihr, sie lässt mich nicht

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