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Zelle laufen und fragen, ob man ihnen was von der Knastwurst abgeben würde oder vom Knastkäse. Das ist dann schon mal ein Statement, wenn du denen einfach was abgeben kannst, weil du das bessere Zeug von draußen beziehst.
Es ist also eminent wichtig, dass ich hier an Arbeit komme. Aber der Andi meint, der Werksbetrieb, in dem Abu arbeitet, hat überhaupt keine Vorteile, die dir innerhalb des Hauses was bringen. Du wirst als komplette Gruppe bewacht hingeführt, der Betrieb ist geschlossen, du kannst dich nicht frei bewegen. Dann ist es schon besser, Hausarbeiter zu werden, da kannst du wenigstens den ganzen Tag über auf deiner Station über den Gang laufen, du kommst zu allen Zellen, Küche, Toiletten, Waschraum, du kommst an Material ran, Papier, Tücher, Putzmittel, aber im Endeffekt heißt Hausarbeiter immer auch Toiletten putzen.
»Und das fuckt total ab«, sagt der Andi.
Wie zum Nachlesen schreib ich das alles innerlich so mit.
Dann gibt’s noch den Job vom Duschreiniger. Der ist eigentlich nur dafür da, die Treppe zur Dusche zu reinigen und die Dusche. Der ist ganz cool, weil das eigentlich kein Job ist und du sogar die Station verlassen kannst, aber darum ist der auch heiß begehrt. Dann: Kammer. Die ist Weltklasse, weil du da im Grunde an alles rankommst und alles erfährst, aber den Job werde ich wahrscheinlich nicht kriegen, meint Andi, dafür sitze ich nicht lange genug und bin nicht wichtig genug, weil es einfach von der ganzen Politik im Haus her immer ’n abgekartetes Spiel ist, wer auf die Kammer kommt. Die Gefangenen können das zwar nicht selber bestimmen, aber da lässt sich schon was drehen, und den Beamten ist es eigentlich egal, solange es läuft.
»Essenausgeber«, sagt der Andi jetzt, »ist auch sehr, sehr cool. Das ist eigentlich so das Genialste.«
Da fällt mir ein, als ich bei Herrn Wetzel in der Metzgerei gearbeitet habe, sind früh immer zwei Typen mit zwei Beamten und ’nem Bollerwagen aus dem Geschlossenen angekommen und haben den mit Essen vollgemacht. Das müssen die Essenausgeber gewesen sein.
Ich sofort: »Dann meld ich mich dafür an.«
Aber der Andi sagt, auch hier ganz schwierig ranzukommen. Er hätte da vielleicht noch ’ne Chance drauf, weil er ein Atzlebener sei, aber wie einer wie ich das schaffen will, keine Ahnung.
Wir sind grad so schön im Gespräch, als der Abu von der Schicht kommt. Andi gibt mir ein Zeichen, dass wir uns besser in meine Zelle verziehen, weil Abu jetzt wie jeden Tag ein bisschen Zeit für sich braucht, um runterzukommen. Also gehen wir zu mir rüber. Der Abu knallt Tür und Fenster zu und dreht Hip-Hop auf.
»Du hast ’ne Geldstrafe auf der Zelle?«, fragt Andi.
Er steht mit verschränkten Armen vor dem Doppelstockbett, in dem unten der Franz schnarcht wie eine Sau in der Suhle. Der Franz sieht total abgeratzt aus mit seinem Vollbart, kein Verbrecher würde sich so gehen lassen, nur ’ne Geldstrafe. Der Andi rüttelt so lange am Rahmen, bis der Franz aufschreckt. Der weiß zuerst wieder gar nicht, wo er ist, dafür macht ihm Andi aber einigermaßen schnell klar, wohin er sich verziehen soll: zu den anderen Geldstrafen in die Gemeinschaftsküche nämlich.
Ich sag so: »Mich stört er nicht.«
Aber der Andi will ihn draußen haben.
Der Franz jammert los: »Arme Geldstrafe, alles Scheiße, ich könnt längst draußen sein, aber mein Sohn holt mich nicht raus.«
Dann schleicht er auf den Gang raus, der Andi kickt die Tür zu, und es kommt ’ne erweiterte Einweisung ins Thema Geldstrafen. Was nervig an ihnen ist, was praktisch und was gefährlich. Nervig ist, dass sie kein Geld haben, weswegen sie dich ständig anbetteln. Andererseits ist es auch wieder praktisch, dass sie kein Geld haben, weil du sie dann für deine Zwecke einsetzen kannst. Für Tabak machen die dir gern die Zelle sauber oder sie verticken ihre Paketmarke. Dann kannst du dir auf deren Namen was reinschicken lassen, du musst nur aufpassen, dass die Geldstrafe das Paket dann auch bei dir abliefert und nicht sagt, sie hat keins gekriegt. Deshalb ist es wichtig, gute Connections zu den Kammerjungs zu haben, damit die dich informieren, wenn was gekommen ist. Man kann eine Geldstrafe sogar befreien, wenn man ihre Schulden bezahlt. Dafür würden die meisten von denen natürlich alles tun, und das macht sie dann gefährlich. Die gehen mit dir duschen, hauen sich plötzlich ein Messer in die Brust und sagen dann, dass du das warst. Wenn sich die Geschichte irgendwie
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