314 - Exodus
dampfte schon seit Stunden nicht mehr.
In Gedanken sah Ishi einen anderen Raum mit einem Gerät zum Sprechen. Der Raum hatte irgendetwas mit ihr zu tun.
Ich muss eine Aufgabe erledigen. Aber welche? Es gibt Dinge zu tun... zu tun... zu... Ihre Gedanken verwirrten sich, sie saugte heftiger am Metall. Ihre Blicke irrten durch den Raum.
Wie hießen die beiden Männer am Tisch noch gleich? Sie kannte sie, doch die violette Wolke verhinderte, dass ihr die Namen einfielen. Die Wolke war überhaupt an allem schuld. Sie verfolgte Ishi auf Schritt und Tritt, ließ ihr keine ruhige Minute. In diesem Augenblick hing sie an der Decke, über ihr. Die Wolke konnte machen, dass die Decke hinabstürzte und die Wände zusammenrückten. Ja, das konnte sie.
Erschrocken fuhr Ishi herum, als sie ein lautes Poltern hinter sich hörte. Ein dritter Mann stand da. Esteles Saintdemar. Sie erinnerte sich an den Namen, weil sie den Mann einst gemocht hatte. Er kramte in den Fächern, holte sich ebenfalls einen Beutel aus Metall hervor und griff nach einer Schere. Damit schnitt er den Beutel auf.
Ishi sah ihm interessiert zu. Aufschneiden. Ja. Das war gut. Aufschneiden. Auf...
Ein Schauer kroch über ihre Wirbelsäule, als sie sah, wie liebevoll Esteles die Schere musterte. Er drehte sie in der Hand, ganz langsam. Über im kroch an der Decke die violette Wolke. Angst schlich sich in Ishis Brust. Dabei hatte sie vor dem verträumten Esteles noch nie Angst gehabt. Sie erinnerte sich. Er las gern Gedichte, und er liebte Sonnenaufgänge, wie sie.
Esteles ließ die Schere hart auf die Ablage fallen. Das laute Scheppern brachte die violette Wolke zum Vibrieren.
Einer der Männer am Tisch sah auf. Er drehte sich zu Esteles um. Ishi suchte in ihrem Gedächtnis nach seinem Namen. War er ein Tsuyoshi oder ein Angelis? Und was waren Tsuyoshis und Angelisse? Sie entschied, ihn in Gedanken Angelis zu nennen, warum auch immer. Angelis schien zu ihm zu passen.
»Was soll der Lärm?«, brüllte Angelis unvermittelt los.
Esteles Saintdemar lächelte ihn an. Freundlich. Und falsch. So falsch wie die violette Wolke über seinem Kopf. Die Angst in Ishis Brust wurde größer. Sie sah auf die Schere, doch Esteles griff nicht danach. Seine Stimme klang ganz ruhig, als er auf Angelis zuging. Sie hatte einen Unterton, der Ishi erstarren ließ. Sie ahnte Böses.
»Du schreist mich an? Du Halbaffe? Was glaubst du, was du bist? Was Besseres?«
Angelis sprang so abrupt auf, dass der Stuhl umkippte. Sonderbarerweise reagierte der dritte Mann im Raum noch immer nicht. Er saß am Tisch wie ein Götze und starrte auf seine Hände. Von ihm konnte Ishi keine Hilfe erwarten. Was sollte sie tun? Sie wimmerte überfordert.
»Du nennst mich Halbaffe?!«, brüllte Angelis den anderen an. »Du Waldmann-Bastard? Deine Mutter hat sich doch mit diesen Nicht-Menschen eingelassen!«
»Bitte!«, keuchte Ishi und presste sich die Hände samt dem Metallbeutel auf die schmerzende Brust. Die Wolke an der Decke wurde immer größer. Alles schimmerte violett. »Bitte hört auf damit, hört auf...«
Esteles’ Kopf fuhr ruckartig zu ihr herum. Er grinste hässlich. »Aufhören? Hat die kleine Ishi etwa Angst, dass ich ihr was tue?«
»Nei... nein«, stotterte Ishi.
Esteles lachte. »Das werde ich auch nicht. Ich tue dir schon nichts, du Miststück. Aber halt deine Klappe. Halt dich raus, wenn Männer reden, ja?«
Ishi erstarrte. Sie war keine Repräsentantin der fünf großen Häuser des Mars, das fiel ihr plötzlich wieder ein. Aber sie war trotzdem in ihrem ganzen Leben noch nie so respektlos behandelt worden wie in diesem Augenblick. Und das von einem Mann wie Esteles Saintdemar, der immer höflich und zuvorkommend zu ihr gewesen war. Der sie angelächelt und ihr auf die Schulter geklopft hatte, wenn sie traurig wurde. Tränen traten in ihre Augen.
»So gehst du nicht mit ihr um, du Bastard!«, schrie Angelis. »So nicht!« Er sprang vor. Ishi wich zurück, als die beiden aufeinander losgingen. Angelis riss den lachenden Esteles zu Boden. Sie schlugen aufeinander ein, gaben sich Kopfstöße und schrien sich dabei an.
Ishi schrie auch. Laut und schrill. Die Wolke lachte.
Der andere Mann am Tisch sah hoch. Akiro Noctis , dachte Ishi. Er ist Akiro Noctis . Sie hörte auf zu schreien. Schreien half nicht. Handeln. Das musste sie.
Noctis und sie sahen einander an. Dann sprangen sie wie auf ein geheimes Zeichen hin vor und packten die sich wild am Boden prügelnden Männer an den
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