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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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richtig in Positur und fragte dann: „Ziet zij mij, Mijnheer Turnerstick – Sehen Sie mich, Herr Turnerstick?“
    „Ja, natürlich! Sie sitzen ja gleich neben mir.“
    „Ben ik even zoo hoe een god – Sehe ich eben aus wie ein Gott?“
    „Ganz genauso. Nur würden Sie einen noch viel göttlicheren Eindruck machen, wenn Sie den Regenschirm aufspannten.“
    „Dat kan ik maken. Derhalve heb ik het regenscherm en parasol ja metgenommen.“
    Er spannte das Familiendach auf und blickte stolz umher. Dabei gab er sich die größte Mühe, die Stellung Turnersticks nachzuahmen, brachte aber die kurzen, dicken Beinchen nur mit großer Anstrengung übereinander.
    Nun war die Musik und der Lärm so stark geworden, daß die beiden darauf achten mußten.
    „Wat is dat vor een fluitenspel?“ fragte der Mijnheer.
    „Für ein Flötenspiel? Hm! Es wird irgendein Aufzug sein, die Feuerwehr vielleicht oder die Kommunalgarde, die Bürgerschützen, welche Vogelschießen haben“, antwortete Turnerstick sehr unbesorgt.
    „Vogelschießen? In China?“
    „Ja? Warum denn nicht? Sie scheinen vorüberzuziehen. Schade darum! Wie hübsch wäre es, wenn einer hereinkäme und wir könnten sehen, ob er uns für Götter hält! Sie bringen einen Tusch. Jedenfalls müssen sie das vor jedem Tempel tun. Wir wollen annehmen, daß es uns zur Ehre geschieht. Nicht?“
    „Ja, wij willen so denken.“
    „Horchen Sie! Jetzt ziehen sie weiter.“
    Draußen vor dem Tor war der erwartete Zug angelangt. Er bestand aus Bonzen mit ihren Oberpriestern, zahlreichen behördlichen Personen und einem nach Hunderten zählenden Gefolge von Zivilisten. Die mit Blumen geschmückten Götter wurden auf mit Teppichen behangenen Bahren von Oberpriestern getragen. Die Musiker, welche an der Spitze marschiert waren, blieben draußen stehen, schmetterten eine tuschartige Fanfare und begannen dann ein neues Getöse, welches einen Marsch vorstellen sollte, um den Zug an sich vorüber und in den Tempel gehen zu lassen.
    Da sich die Musik nicht näherte, so hatte der unglückselige Kapitän geglaubt, daß die ‚Kommunalgarde‘ weiterziehe.
    Einer chinesischen Musikantentruppe darf man keine europäische Kammermusik zumuten. Da gibt es Gongs, Schellen, Glocken und Klingeln, auch Triangeln, Metallplatten, Musikurnen, Faßtrommeln, hölzerne Totenköpfe zur Tempelmusik, Flöten, Kastagnetten, zweisaitige Geigen, drei- und viersaitige Gitarren, kreischende Trompeten, welche weder im Kammer- noch im Kabinettston stehen, und sonderbar geformte, mit kleinen Schellen behangene Bambusgestelle, deren einheimischer Name in das Deutsche mit ‚Musikgeklimper‘ zu übertragen ist. Jeder bearbeitet sein Instrument aus Leibeskräften, ohne Noten und ohne Takt. Von einer Harmonie ist keine Rede. Die Melodie, wenn es je eine gäbe, würde in dem allgemeinen Lärm verschwinden, denn derjenige, welcher das größte Getöse hervorbringt, gilt als der beste Musikant.
    Darum war es kein Wunder, daß bei dem Heidenskandal, welchen die Musiker verübten, die Schritte des nahenden Zuges nicht zu hören waren, und daß die Spitze desselben am Eingang des Tempels erschien, während die beiden falschen Idole sich noch vollständig sicher fühlten und der Kapitän sogar immer noch den Wunsch hegte, es möge jemand kommen, mit dem er sich einen Spaß machen könne.
    Indessen hatte der Tong-tschi den andern die größere Abteilung des Tempels gezeigt und war dann mit ihnen durch ein Hintertor nach einem Hof gegangen, um welchen die Wohnungen der Bonzen standen. Dort nahm er den Methusalem beiseite und fragte ihn: „Wissen Ihre Gefährten alles, was am gestrigen Abend geschehen ist?“
    „Ja.“
    „Das ist sehr unrecht. Sie hätten es ihnen nicht erzählen sollen!“
    „Es ging nicht anders, sie mußten es auf alle Fälle erfahren, um sich danach richten zu können.“
    „So erwarte ich wenigstens, daß sie nichts verraten?“
    „Das darf Ihnen keine Sorge machen. Diese Leute sind verschwiegen. Ich wünsche, daß die Ihrigen es nicht weniger sind.“
    „Oh, diese wagen nicht, ein Wort zu sagen. Und Hu-tsin werde ich nochmals auf das strengste zum Schweigen ermahnen.“
    „Ich war am Morgen bei ihm und er hat mir versprochen, gegen niemand ein Wort zu äußern. Man wird also die Götter bringen. Wie aber steht es mit den drei Missetätern?“
    „Die sollten eigentlich mitgenommen werden, um den Triumphzug zu verherrlichen. In diesem Fall wären sie wahrscheinlich vom Publikum zerrissen

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