320 - Die Schlacht von Dapur
hatte er sich auch gebärdet und seiner Lieblingsfrau dabei kleinere Verletzungen zugefügt. Es kümmerte ihn im Moment nicht. Auch nicht die Kratzwunden, mit denen sie sich revanchiert hatte.
»Vielleicht sollten wir listenreicher vorgehen, mein starker Stier«, sagte Nefertari und rieb sich den blauen Flecken am Oberarm.
»Was meinst du?«
»Wir könnten zum Beispiel versuchen, einen Tunnel zu graben, um so in die Festung zu gelangen.«
»Du bist eine Meisterin in der Liebe und auch im Kämpfen und im Wagenlenken, aber mit übermäßigem Verstand haben dich die Götter nicht gesegnet. Hast du den steinigen Boden gesehen? Wie sollen wir da einen Tunnel graben? Außerdem sind wir stolze Ägypter und keine Ratten, die sich durch den Dreck wühlen. Wir schaffen es auch Mann gegen Mann, die Festung zu erobern. Die Hethiter werden meiner Macht nicht mehr lange widerstehen.«
Nefertari sagte nichts mehr. Sie plante längst selbstständig, um das Schlachtenglück zu wenden, und nun war der Zeitpunkt gekommen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie gab vor, frische Luft zu benötigen und zwischen den Feuern spazieren gehen zu wollen. Ramses war viel zu sehr mit eigenen Gedanken beschäftigt, um sie zu begleiten.
Überall saßen Soldaten zusammen und würfelten oder vergnügten sich mit Lustsklavinnen. Spitze Schreie und derbe Sprüche ertönten, während aus den Krankenzelten, in denen sich die heilkundigen Amun-Priester um die Verletzten kümmerten, lautes Schreien und Wimmern drang. In anderen Zelten nahmen Balsamierer Notbalsamierungen der Gefallenen vor.
Wenn Nefertari erkannt wurde, fielen die Menschen vor ihr auf die Knie und streckten die Arme vor, wie es Sitte war. Sie bemerkte es kaum; ihre Gedanken weilten woanders.
In einen bodenlangen Mantel gehüllt, um die empfindliche Nachtkälte abzuhalten, kam sie an Grao vorbei. Seit sie wusste, zu was dieses nur scheinbar menschliche Wesen fähig war, hielt sie sich von ihm fern. Aber natürlich hatte sie eins und eins zusammengezählt und konnte sich ausrechnen, dass nicht ihr Sohn Amun-Her die beiden anderen Fremden zum Palast gebracht hatte, sondern diese Kreatur in seiner Gestalt.
Zu gern hätte sie kurzen Prozess mit ihm gemacht, doch Grao spielte eine wichtige Rolle in ihren Plänen, und so nickte sie ihm nur kurz zu. Eine Antwort erwartete sie von dem ewig Schweigsamen ohnehin nicht.
Maddrax und Xij hielten sich in ihrem Zelt auf; sie konnte im Widerschein der Feuer ihre Silhouetten sehen, als sie daran vorbei ging.
Ihr tätet besser daran, es noch einmal miteinander zu treiben, dachte sie grimmig, denn euer Leben wird schneller vorbei sein, als euch lieb ist...
Nefertari suchte die Sektion der Naruna-Kämpfer auf und schlüpfte bei Thutamis, deren Hauptmann, ins Zelt. Der mittelgroße, muskulöse Mann mit dem fast zarten Gesicht, das über seine wahren Qualitäten hinwegtäuschte und dazu führte, dass er oft unterschätzt wurde, erhob sich geschmeidig von seinem Lager. Er trug nichts als ein Lendentuch, das von einem wertvollen Gürtel gehalten wurde. Zahlreiche Narben bedeckten seinen Körper. Seine Augen blitzten.
»Nefer, meine Schöne. Ich sehne mich nach dir, wie sich das Krokodil nach dem Nil sehnt und die Lilie nach der Sonne. Bist du gekommen, um dich mit mir zu vereinen?«
Nefertari lächelte geheimnisvoll. Sie trat an ihn heran und biss ihm zart in die Lippen, während ihre Hand unter sein Lendentuch wanderte. Gleich darauf wälzten sie sich stöhnend auf seinem Lager. Nach dem kurzen, aber heftigen Liebesspiel lagen sie zusammen und tranken süßen Wein aus Sidon. Den Naruna-Kämpfern war vom Pharao ein Kontingent des wertvollen Getränks zugeteilt worden, so wie es ihnen auch sonst an nichts mangelte.
Seit mehreren Jahren unterhielt Nefertari nun schon ein Verhältnis mit Thutamis, denn sie mochte seine Geilheit und seine Liebeskunst. »Hast du meine Umarmungen genossen?«, fragte die Königin leise an seinem Ohr.
»Ja, natürlich. Du bist wie...«
Mit einer Handbewegung gebot sie ihm Einhalt. »Es wird das letzte Mal gewesen sein, dass ich die Liebe mit dir gepflegt habe, Thutamis. Denn ich habe einen Auftrag für dich, von dem es keine Wiederkehr geben wird.«
Er sah sie erschrocken an.
»Aber ich verspreche dir«, fuhr sie fort, »dass du das Schiff der Sonne besteigen und direkt ins Land der Seligen im Westen segeln wirst, ohne dass du den Pavianen der Unterwelt oder dem Totengott Osiris Rechenschaft ablegen musst, egal, was
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