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324 - Eine neue Chance

324 - Eine neue Chance

Titel: 324 - Eine neue Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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Familien umgaben sie. Die Stimmung war erwartungsfroh.
    Gilam’esh verschränkte die Arme vor der Brust und wartete ab, was geschah.
    Unter ihm winkte Ei’don einen älteren Hydriten heran. Der Türkisschuppige kraulte auf ihn zu und krümmte sich ehrfurchtsvoll. »Wunderbringer«, klackte er aufgeregt, »ich habe lange auf deine Ankunft gewartet. Kannst du mich heilen?«
    Der alte Hydrit zeigte sein Bein. Gilam’esh sah den Wulst, der sich darauf erhob. Es gab Formen von Beulenerkrankungen, die die hydritische Medizin zwar eindämmen, aber in dieser Epoche noch nicht heilen konnte. Das Gewebe mutierte zu stark. Vielleicht eine Nachwirkung des Übergangs der Hydree von Rotgrund nach Ork’huz. Die Erde war eben nicht die ursprüngliche Heimat der Hydriten, und manche Keime und Bakterien gaben den Wissenschaftlern dieser Epoche noch immer Rätsel auf.
    Neugierige Stille senkte sich über das Wasser, keiner der Anwesenden bewegte sich. Neben ihm gurgelte Chal’fir kaum hörbar durch die Kiemen. Ihre Augen traten vor Aufregung leicht hervor.
    Ei’don schwamm voran und besah die Beule am Oberschenkel des Türkisblauen. Er hob beide Hände ins Licht, senkte sie und ließ sie auf das Bein des Kranken gleiten. »Wer Hilfe bedarf, dem soll geholfen werden«, schnalzte er leise, und doch wirkten seine Worte in der Stille des Wassers wie Donnerschläge.
    Gilam’esh war zu weit entfernt, um zu sehen, was genau vor sich ging.
    Eine Hydritin mit gelbblauem Scheitelkamm stieß einen schrillen Laut aus. »Seht doch seine Schwimmhäute!«, stieß sie aus. »Sie leuchten!«
    »Es geht zurück«, klackte eine Stimme aus der Menge. »Schaut! Ein Wunder!«
    »Die Beule verschwindet!«, schnalzte ein anderer.
    Unten jubelte der Türkisblaue. Er hob das Bein an, als wollte er es präsentieren.
    Chal’fir packte Gilam’eshs Hand und drängte sich näher heran. »Komm schon, Meister Gilam’esh! Wir sehen ja gar nichts!«
    Sie erreichten das Gedränge. In einer Lücke zwischen den Körpern sah Gilam’esh das Bein des alten Hydriten. Die Beule war fort, glatte Schuppen waren an ihre Stelle getreten.
    Ein Schrei erklang, dann ein weiterer. Die Menge wich ehrfürchtig zurück. Gilam’esh reagierte nicht schnell genug und gehörte plötzlich zu denen, die Ei’don am nächsten waren. Mit aller Deutlichkeit sah er die Beule auf Ei’dons Oberschenkel. Der Junghydrit schien wie weggetreten. Er hielt die Hände in einigem Abstand über den Wulst.
    Die erneut eintretende Ruhe war eine Stille des Entsetzens. Auch Gilam’esh erschrak. Hatte der Junghydrit sich selbst krankgemacht? Trug er die Last des anderen nun an seinem Bein?
    Dann bildete sich die Beule am Oberschenkel Ei’dons wie in Zeitlupe zurück. Stück für Stück klang sie ab, schrumpfte in sich zusammen, bis sie ganz verschwunden war.
    Der Türkisblaue griff mit angstvollem Gesichtsausdruck nach seinem Bein, doch auch dort war keine Erhebung mehr zu entdecken. »Es... es ist weg...«, brachte er hervor. »Einfach verschwunden...«
    Ei’dons Scheitelkamm verfärbte sich zustimmend. »Deine Krankheit wird nicht zurückkehren«, sagte er mit fester Stimme. »Du bist geheilt.«
    Jubel brach aus. In das Wasser kam Bewegung. Chal’fir wedelte wild mit den Armen, um wie viele andere ihre Begeisterung zum Ausdruck zu bringen. Selten hatte Gilam’esh so viele hell leuchtende Scheitelkämme versammelt gesehen. Auch er spürte Euphorie. Ausgelassen packte er Chal’fir an den Handgelenken. Doch ein Teil von ihm blieb klar genug, über das Gesehene nachzudenken, während er Chal’fir wie zum Tanz herumschwenkte.
    Wie hat Ei’don das gemacht? Das ist unmöglich.
    Gilam’esh erinnerte sich an Gerüchte, die er vor unendlich langer Zeit auf Rotgrund gehört hatte. Es sollte unter den Patrydree einen Begabten gegeben haben, der Wunder vollbrachte. Gilam’esh hatte damals nichts davon gehalten. Er war mit anderen Problemen beschäftigt gewesen und hatte die Gerüchte für Geschichten von Wichtigmachern gehalten. Nun sah er mit eigenen Augen einen Hydriten, der heilen konnte.
    Vielleicht ist es ein Trick. Sie könnten sich irgendwie abgesprochen haben. Es gibt Mittel, wie sich der Vorgang an- und abschwellender Beulen inszenieren lässt.
    Am Rand des Tumults beobachtete Gilam’esh, wie Ei’don zwei weitere Hydriten heilte. Immer wieder schwammen andere Bewohner dicht an Ei’don vorbei, berührten seine Schuppen und erflehten seinen Segen. Ei’don blieb ruhig, er wirkte wie eine

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