326 - Schlangenmenschen
nüchterner und realistischer sieht. Es gibt da dieses alte Sprichwort: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.«
Rulfan nickte. »Verstehe. Trotzdem: bedauerlich. Mehr als das. Hoffentlich kommt nie der Tag, an dem ihr es beide bereut.«
»Meine Hoffnung«, sagte Matt, »wäre eine andere...«, und nun legte auch er seine Hand auf Rulfans Schulter, »… nämlich, dass unsere Freundschaft nicht darunter leidet.«
»Falls das deine Sorge ist, kann ich dich beruhigen, Blutsbruder.«
Matt nickte und wünschte sich, in ähnlicher Weise auch noch einmal mit ihr gesprochen zu haben. Aber den Gefallen hatte Aruula ihm nicht getan, und sie korrigierte ihre Entscheidung auch nicht in den restlichen Stunden, die sich Matt, Xij und Miki Takeo noch auf Canduly Castle aufhielten.
Zum Abschied waren alle im Burghof versammelt, um ihnen ein paar warme Worte mit auf die Reise zu geben. Alle, bis auf die eine.
Matt versuchte den Stich, den es ihm versetzte, zu ignorieren.
Als sie das Shuttle bestiegen, warf Xij ihm einen Blick zu, als wüsste sie, woran er dachte. Wahrscheinlich tat sie das auch. Schwer zu erraten war es nicht.
Aber sie sprach es nicht an, und wenig später hob das Shuttle ab, nahm Kurs auf eine Tausende Kilometer entfernte Region auf dem Globus. Den Ort, von dem aus schon vor fünfhundert Jahren Raketen ins All aufgestiegen waren.
Der Himmel hatte sich seither verändert. Um die Erde kreiste jetzt ein Mond, dem die Kuppe fehlte und der im Gegenzug eine versteinerte Masse fremder Materie wie einen Wulst darunter trug.
Matts erinnerte sich daran, dass in seiner Kindheit die Sehnsucht, irgendwann selbst zum Mond zu gelangen, eine wichtige Rolle bei seiner späteren Entscheidung, Kampfpilot zu werden, gespielt hatte.
Größer, höher, weiter.
Welcher kleine Junge dachte nicht, dass ihm im späteren Erwachsenenleben alles gelingen könnte?
Aber irgendwann hörte jeder auf, ein Traumtänzer zu sein.
Bei Matt hatte es nur vielleicht ein paar Jahre länger gedauert, bis er auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen war...
***
»Woran denkst du?«
Xij fragte doch noch, als Rulfans Heim schon weit hinter ihnen zurückgefallen und selbst über die Monitore nicht mehr sichtbar war.
»An nichts Bestimmtes«, log Matt.
»Du darfst ruhig an sie denken. Hey, du bist schließlich kein Roboter!« Sie warf einen schrägen Blick zu Miki Takeo. »Sorry, war nicht böse gemeint.«
Der Android gab ein paar Geräusche von sich, die nur unterstrichen, dass seine äußere Erscheinungsform wahrhaftig kaum mehr etwas mit einem Menschen gemein hatte. Ansonsten ließ er es unkommentiert.
»Hör auf, mir Dinge anzudichten, die nicht stimmen«, sagte Matt schroffer als beabsichtigt. »Ich... denke bereits voraus. Was uns in Kourou erwartet.«
»Oh.« Xijs Miene verriet, dass sie ihm die Ausrede nur zum Schein abnahm. »Dann entschuldige. Da ist wohl meine Fantasie mit mir durchgegangen. Und was erwartet uns deiner Meinung nach?«
»Ich bin kein Hellseher. Aber irgendein Schlamassel wird es wohl sein. Dafür spricht die jahrelange Erfahrung. Und deshalb...« Er gab die Steuerung an den Androiden ab und forderte Xij auf, ihm ins Mittelteil des Shuttles zu folgen. Dort führte er sie zu einer bestimmten Stelle der Wandverkleidung, über die eine Fuge verlief, ungefähr einen Meter im Quadrat groß. Matt löste das Kunststoffteil und stellte es neben sich an die Wand.
»Von diesem Geheimfach wusste ich noch gar nicht«, sagte Xij mit Blick auf die freigelegten Fächer, in denen sich diverse Ausrüstungsgegenstände stapelten.
»Es ist eher ein Notdepot«, erwiderte Matt. »Für den Fall, dass die marsianische Besatzung landen und sich auf der Erdoberfläche einrichten muss. Er wies auf eine Handfeuerwaffe, die in einer Halterung neben vier Atemgeräten und einem Behälter mit konzentrierter Nahrung steckte. »Du siehst«, fuhr er fort, »falls uns der Boden von Kourou zu heiß werden sollte, sind wir nicht ganz unvorbereitet. Abgesehen von Takeos Blaster, den er im Oberschenkel trägt.«
»Erwartest du einen Angriff der Einheimischen? Das scheinen doch Technos zu sein, zumindest aber technisch hochstehende Leute. Wie hätten sie sonst die Rakete starten können?«
Matthew zuckte mit den Achseln. »Kann sein – oder auch nicht. Ich habe schon zu viel erlebt, um es darauf ankommen zu lassen.«
»Dann hoffe ich mal, dass sie kooperativ sind. Die Gefahr aus dem All ist noch lange nicht
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