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327 - Mit eisernem Willen

327 - Mit eisernem Willen

Titel: 327 - Mit eisernem Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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näher. Seine großen Augen wirkten verständnisvoll. Er war fast so groß wie ein Horsay.
    Also gut , dachte Aruula grimmig. Der Schwindel ging zurück, Zuversicht strömte in sie. Ich nehme selbst die Verfolgung auf. Wenn ich es nicht einmal schaffe, mein Schwert gegen zwei abgerissene Räuber zu verteidigen, bin ich es nicht wert, die Königin der Dreizehn Inseln zu sein.
    Noch unsicher auf den Beinen, ging sie zum Bach hinunter, holte ein Tuch aus dem Beutel an ihrer Seite und hielt es in die Strömung. Die kühle Nässe würde gegen die Schwellung helfen.
    Sie band sich das Tuch um den Kopf und trank ausgiebig. Dann machte sie einen schwankenden Schritt auf den Hirsch zu. »Wudan sendet dich. Du wirst mir helfen.« Sie griff tief in das Rückenfell und an den Hals. Es fühlte sich beruhigend warm an. Der Hirsch stand ganz still, den Kopf erhoben. Aruula sprang vom Boden ab und zog sich auf den breiten Rücken.
    Durch die Bewegung wurde ihr erneut schwindelig, ihre Schläfe hämmerte. Der Wald verschwamm vor ihren Augen. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie Halt fand. »Geh«, flüsterte Aruula dann und drückte dem Hirsch die Fersen leicht in die Seite. Langsam setzte sich das Tier in Bewegung, ganz sacht, als wüsste es, wie verletzlich Aruula war.
    ***
      Amraka, anderthalb Tagesmärsche von Kourou entfernt
    Hunapee wurde im Dorf mit heller Aufregung empfangen. Begierig darauf zu erfahren, ob die Sichtung der Sonnenköpfigen der Wahrheit entsprach, bedrängten ihn seine Leute mit Fragen. Häuptling Timpau, alt und erblindet, saß inmitten des von Hütten umgebenen Dorfplatzes auf seinem Thron, einem schiefen Gebilde aus Bambusstöcken und Lianen. Hunapee kniete vor ihm nieder, nahm seine Hand und legte sie sich auf die Stirn. Timpau schenkte ihm ein gequältes Lächeln.
    Mit klopfendem Herzen stand Hunapee auf. Seine Leute sahen ihn fragend an. Die Blicke des Kundschafters aber suchten den Medizinmann. Hunapee hatte dem Häuptling seine Ehrerbietung dargebracht, wie es sich gehörte. Das Sagen beim Stamm hatte jedoch längst ein anderer, jeder wusste das.
    Kuxetlan trat hinter einer Hütte hervor. Sein fülliger dunkler Leib glänzte in der Sonne. Das breite Gesicht unter seiner buschigen Lockenpracht war verfinstert. In der rechten Hand hielt er das Orakel, in der Linken einen großen flachen Stein.
    Beklommenheit überkam Hunapee. Er hatte doch alles richtig gemacht, brachte frohe Kunde. Wollte der Medizinmann sich nicht erst einmal anhören, was er zu sagen hatte? Wozu das Orakel?
    Voller Ehrfurcht betrachtete der Kundschafter das heilige Kleinod. Vor vielen Jahren waren sie auf dem steinernen Platz in einen Bau der Herren von Kourou eingedrungen und hatten alles entwendet, was ihnen in die Finger kam. Darunter auch dieses drehende Ding .
    Kuxetlan hatte sich Tag und Nacht damit beschäftigt und dem Stamm schließlich verkündet, dass es sich um ein göttliches Geschenk handele. Pachamama sprach durch das Orakel zu ihm.
    Der Medizinmann bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Die Leute wichen zurück, murmelten seinen Namen. Neben dem Häuptlingsthron blieb er stehen und forderte Hunapee mit dem Recken seines Kinns auf, Bericht zu erstatten.
    »Mächtiger Kuxetlan«, haspelte Hunapee. »Es ist wahr! Es ist die Sonnenköpfige! Die große Marr’yn hat sie gesandt! Wir sind endlich frei!«
    Kuxetlan entgegnete nichts. Er sah ihn nur durchdringend an. Dem Kundschafter wurde die Kehle eng. Er warf einen Blick auf Timpau. Der Häuptling musste damals mit dem Augenlicht auch seinen Verstand verloren haben. In seinen Augen war nur noch das Weiße zu sehen, in seinem Gesicht lag das ewig gleiche Grinsen, die Zähne in seinem Mund standen wie hingewürfelt schief. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten.
    »Du hast sie gesehen?«, fragte Kuxetlan.
    Hunapee nickte hastig. »Ja! Sie sieht aus wie die große Marr’yn!«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Der Medizinmann hob die Hände und die Leute verstummten. »Wir werden das Orakel befragen.« Er setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und bedeutete den Umstehenden, sich um ihn herum zu versammeln. Auch Hunapee rückte näher heran, obwohl ihm nicht danach zumute war. Wenn es an der Zeit war, Ha’tuu Opfer darzubringen, entdeckte Hunapee in Kuxetlans Augen eine seltsame Art von Befriedigung. Sie ähnelte der Lust, mit der man ein Weib bestieg.
    Kuxetlan hob das handtellergroße, eckige Gebilde mit dem kleinen Rad darin hoch und wickelte eine dünne Lianenfaser um

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