328 - Flucht aus dem Sanktuarium
man wird uns weder freundlich empfangen, noch unseren Warnungen Glauben schenken. Besser, wir kontaktieren zunächst einmal die Entscheidungsträger in der Hauptstadt, bevor wir hier unsere Zeit verschwenden.«
Auch wenn die Argumentation des Androiden einleuchtend war, verursachte es Matthew Drax Bauchschmerzen, einfach weiterzufliegen. Schließlich verloren die Menschen dort unten kostbare Zeit, die schützenden Berge zu erreichen.
Sein ungutes Gefühl verstärkte sich noch, als sie wenig später in Kingston auf einem großen Platz zwischen Hafenanlage und einem hangarartigen Gebäude landeten. Das unbekannte Flugobjekt versetzte die Bewohner in Angst und Schrecken. Sie flüchteten in alle Himmelrichtungen. Kurz darauf kamen zwei Dutzend Uniformierte aus den Lagerhallen in Ufernähe und dem gegenüberliegenden Hangar. Sie näherten sich dem Shuttle.
»Das Empfangskomitee rückt an.« Xij schob ihren Kampfstock im Gürtel zurecht. Mit einem Knopfdruck konnte sie ihn zu doppelter Länge ausfahren.
Matt blickte schmallippig aus dem Cockpitfenster. Die Fremden da draußen waren mit Maschinengewehren ausgerüstet. Sie trugen allesamt Lederharnische, Hosen aus grobem Leinen und knöchelhohe Stiefel. Bunte Bänder waren um Stirn und Haar gewickelt. Insgesamt erinnerte ihr Aussehen Matthew an verwegene Guerillakämpfer.
Einer von ihnen trat nun vor, ein kräftiger Kerl mit vernarbtem Gesicht, der über seinem Harnisch eine grün-gelb-schwarze Schärpe trug. Der Anführer der Bewaffneten. Er blickte zum Cockpit empor und schnarrte: »Kommt heraus und gebt euch zu erkennen!« Der Translator musste nicht aktiv werden; die Amtssprache Englisch war auch nach fünf Jahrhunderten noch deutlich zu verstehen.
Matt nickte seinen Gefährten zu. »Wenigstens schießen sie nicht und fragen erst anschließend«, meinte er. »Versuchen wir unser Glück. Miki, du bleibst erst mal an Bord. Hör über die Außenmikrofone mit und greif im Notfall ein.«
Dann verließen er und Xij das Shuttle. Mit süßsaurem Lächeln grüßte er den narbengesichtigen Hauptmann. Statt den Gruß zu erwidern, deutete der nur misstrauisch auf das Cockpit. »Da ist doch noch jemand drin! Er soll rauskommen!«
Während Matt und Xij vielsagende Blicke tauschten, ertönte aus dem Inneren des Shuttles ein lautes Scharren. Metall ächzte, dann erschien Takeos mächtige Gestalt in der Einstiegsöffnung. Unwillkürlich wichen die Umstehenden zurück. Ihrem Anführer fiel die Kinnlade herab. »Was... was zum Teufel ist das?« Er beäugte den Maschinenmann, als würde er einen Geist sehen.
»Miki Takeo«, sagte Matt. »Ein Android, praktisch unzerstörbar und gut bewaffnet. Aber er verhält sich freundlich, solange niemand aggressiv wird.«
Nach dieser durch die Blume gesprochenen Warnung nutzte Matt die allgemeine Überraschung, um auch sich und Xij Hamlet vorzustellen. Dann kam er rasch zur Sache. Immer noch misstrauisch, doch zunehmend interessiert lauschte der Hauptmann Matthews Worten. Bei der Nachricht über die nahende Flutwelle wurde sein vernarbtes Gesicht aschfahl. Keinen Blick mehr verschwendete er an Takeo; seine Blicke hingen an Matthews Lippen.
Als der Mann aus der Vergangenheit geendet hatte, starrte der Hauptmann ihn immer noch wortlos an. Auch seinen Soldaten schien es die Sprache verschlagen zu haben. Ebenso den Bewohnern, die sich inzwischen aus ihrer Deckung gewagt hatten. Überrascht sah Matt sich um. Eigentlich hatte er mit einer Panik gerechnet, doch jeder Einzelne der Jamaikaner schien in tiefste Lethargie verfallen zu sein.
Matt räusperte sich und wandte sich wieder an den narbengesichtigen Anführer. »Bei allem Verständnis für den Schock, den wir mit unserer Warnung ausgelöst haben: Euch bleibt wenig Zeit. Die Evakuierung muss organisiert werden. Bis zum Mittag wird hier kein Stein mehr auf dem anderen stehen.«
Als ob er den Umstehenden kollektiven Schmerz zugefügt hätte, ging plötzlich ein Seufzen durch die Menge. Dann wurden Stimmen laut. »Mio madré, wir werden alle sterben!«
Beruhigend hob Matthew die Arme. »Nein, nein. Keiner muss sterben. Ihr müsst euch nur rechtzeitig in die Berge...« Weiter kam er nicht, denn jetzt brach die Panik aus, auf die er vor wenigen Minuten noch vergeblich gewartet hatte.
Schreiend stoben die Jamaikaner auseinander. Wortfetzen in englischer und spanischer Sprache und einem Kauderwelsch, das auch die Translatorchips nicht übersetzen konnten, flogen ihm um die Ohren. »Flieht, flieht
Weitere Kostenlose Bücher