33 - Am Stillen Ozean
Petrotallagalla höher als achttausend Fuß empor. Daß man Ceylon das Malta des Indischen Ozeans genannt hat, geschah wohl seiner strategisch bedeutenden Lage wegen.
Die Insel ist bekanntlich britisches Kronland und steht unter einem eigenen Gouverneur. Alle höheren Ämter werden von Engländern bekleidet, doch beträgt die Zahl der Weißen kaum siebentausend. Die Eigeborenen, Singhalesen, bekennen sich zur buddhistischen Religion; sie sind zum Teil mit später zugewanderten Hindus, Malayen, Javanern, mit maurischen und portugiesischen Elementen und mit Mozambique- und Madagaskar-Negern vermischt. Auch ein chinesisches Gesicht findet man hier oder da, doch verschwindet es schnell wieder, nachdem der Besitzer desselben die nicht oft lobenswerte Absicht erreicht hat, welche ihn zu den ‚Leuten mit graden Nasen‘ herüberführte.
Der Chinese ist nämlich in jenen Strichen nicht sehr beliebt. Er verdient vollständig, der Jude des Ostens genannt zu werden. Den kleinsten Gewinn nicht verschmähend, opfert er einem größeren Vorteil alles, was er zu opfern hat, findet sich zu Land leicht in jede Lage und scheut auch die Wogen der See nicht, wenn es gilt, einen verhältnismäßigen Nutzen zu ziehen. Dann ist er ebenso schlau wie kühn, ebenso energisch wie gewissenlos, und es gehört ein tüchtiger Gegner dazu, ihm durch List oder Gewalt den Weg zu verlegen.
Schon längst hatte eine Verbindung von malayischen Seeräubern von sich reden gemacht, welche auf ihren schnellsegelnden, schlank gebauten Prauen sogar bis herüber zu den Adamanen- und Nikobare-Inseln gekommen waren und selbst gut bemannten europäischen Schiffen Trotz geboten hatten. Ihr Anführer sollte ein chinesischer Seekapitän sein, welcher, von seiner Regierung verfolgt, landesflüchtig geworden war und, wie man erzählte, auf einer einsamen Insel des indischen Meeres eine Flibustierbande um sich gesammelt hatte, mit welcher er besonders kleinen Fahrzeugen gefährlich wurde. ‚Yang-dzeu‘, d.i. Meerteufel, wurden diese Korsaren von den Anwohnern der chinesischen See genannt, und allen Gerüchten nach war dieser Name auch vollständig gerechtfertigt, da sie sich ihren Gefangenen gegenüber vollständig als Teufel betrugen.
Das alles ging mir durch den Kopf, als ich am anderen Morgen erwachte und unwillkürlich an den Chinesen dachte, welcher unter so verdächtigen Umständen den Hafen verlassen hatte. Ein Mann der Dschunke hatte sich an der Verlobten Kaladis vergriffen – das Fahrzeug mußte gewalttätige Leute an Bord haben. Wir standen in der Zeit des nun sechs Monate lang unaufhörlich wehenden Nordost-Monsuns, eine Zeit, in welcher es einem Segelschiff höchst schwer und bei gewisser Bauart und Takelung sogar unmöglich ist, auf Nordost zuzuhalten. Konnte die Dschunke bei ihrer eigentümlichen Masten- und Segelstellung diesen Kurs einhalten? Es schien mir sehr wahrscheinlich, daß sie die Absicht gehabt habe, den Westen der Insel zwischen sich und den Monsun zu nehmen. Aber was konnte sie dort wollen, wohin sicher noch niemals ein chinesisches Schiff gekommen war?
„Tschick, tschick, tschick!“ klang es hell und rasch hinter dem Spiegel hervor. Das kleine, kaum drei Zoll lange Tierchen, welches mich durch diesen Ruf aus meinem Nachdenken störte, war ein Gecko von der Spezies, wie sie in jedem Haus Ceylons zu treffen sind. Es war des Nachts über auf der Jagd gewesen, schickte sich jetzt an, sein Quartier hinter dem Spiegel wieder aufzusuchen, und hielt es für seine Pflicht, mir dies durch seinen zutraulichen Ruf anzuzeigen.
Der Gecko ist für den Neuling eine überraschende und anfangs sogar unheimliche Erscheinung. Diese kleine, niedliche Eidechse kommt in jeder Wohnung zahlreich vor, hält sich während des Tages über in den Spalten der Wände, in den Ecken und Lücken der Möbel verborgen und kommt erst zur Zeit des Lichtanzündens hervor, um Jagd auf schlafende Insekten zu machen. Da der Gecko ein nächtliches Tier ist, so hat er gleich den Katzen schmale, vertikale Pupillenöffnungen, welche sich in der Dunkelheit erweitern. Durch die an seinen Zehen befindlichen Saugscheiben ist er imstande, behend an den Wänden auf und ab und an der Decke hin und her zu laufen. Er wird sehr zahm und zutraulich und gewöhnt sich sogar, während der Tafel seine Visite zu machen, um die abfallenden Brocken zu verspeisen.
Ich erhob mich, um mich anzukleiden. Kaum war ich damit fertig, so ließ Raffley mich rufen. Als ich in sein Zimmer trat, fand
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