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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Hieb zogen sich die Angreifer zurück, trotz der Luntenflinte alias Röhrenbohrer, mit welcher der Träger derselben mit fürchterlicher Miene auf mich gezielt hatte, ohne im glücklichen Besitz einer Lunte zu sein. Selbst wenn er imstande gewesen wäre zu schießen, hätte ich seine Spiralkanone nicht zu fürchten gebraucht, da diese für ihn weit gefährlicher sein mußte als für jeden andern.
    „Abgeblitzt, Käpt'n“, lachte ich, „aber noch immer im Belagerungszustand. Wollen wir einen Ausfall riskieren?“
    „Was wollen diese Nußschalen gegen zwei solche Dreimaster ausrichten, wie wir sind? Vorwärts, wir segeln sie in den Grund!“
    „Wird Euer Schwert nicht zu lang sein?“
    „Je länger, desto besser. Ich wollte, es wäre so lang wie der Hauptmast einer Fregatte!“
    Er faßte den Griff seiner Waffe mit zwei Händen und rückte zur Attacke vor. Ich unterstützte diesen Angriff zunächst durch eine Kanonade, welche ich mit den übrigen Becken eröffnete und die von sehr günstigem Erfolg begleitet war, und dann setzte auch ich mich als Zentrum in Bewegung. Der andere Flügel fehlte, da wir nur zu zweien waren.
    Die feindliche Linie zog sich um einige Schritte zurück; dies verdoppelte den Mut des Kapitäns. Wie der vorige Inhaber des Riesenschwertes, stützte jetzt er sich auf dasselbe, was ihm aber wegen der Länge der Waffe nicht vollständig gelang, und begann, nach dem Vorbild der Helden und Recken des Altertums, eine herausfordernde Rede zu sprechen:
    „Chineseng, Räuber, Drachenmanning. Mörder und Spitzbuben! Hier steht der Kapitän Turningsticking und dort sein Freund Charleng, der die Indianer totgeschlagung und die Löwang totgeschossing hat. Was seid ihr gegeng uns! Es wird euch zwei Minutang Zeit gegebong; habt ihr bis dahing die Waffeng nicht gestreckt, so seid ihr verlorung und werdet von uns ing deng Grund geborang!“
    Diese in dem zuversichtlichsten Ton gehaltene Ansprache schien, allerdings nur infolge eben dieses Tones, nicht ganz ohne Wirkung zu sein, doch wurde dieser Eindruck durch den Dolmetscher vollständig vernichtet, denn dieser brach in ein lautes Gelächter aus und rief:
    „Dieser Yeng-kie-li ist wahnsinnig: er will die Sprache der Mitte reden und versteht sie nicht. Schlagt ihn nieder!“
    Doch auch wir erhielten eine Aufmunterung, mutig zu sein, denn hinter der Mauer hervor ertönte es:
    „Maten à los Carajos?“
    „Was sagt die Portugiesin?“ fragte Turnerstick.
    „Sie spricht spanisch. Wir sollen die Kerls niederschlagen.“
    „Well, so tun wir es auch. Wir sind die beiden Ritter dieser Dame und müssen sie unbedingt herausholen!“
    Der Vorschlag des ‚ritterlichen‘ Kapitäns war doch nicht ganz nach meinem Geschmack. Diese Chinesen hätten uns bereits förmlich ersticken müssen, wenn ihre Feigheit nicht eine so beispiellose, eine beinahe unmögliche gewesen wäre. Es war mir wirklich unbegreiflich, wie solche Leute Flußpiraten sein konnten. Doch war jetzt ihre Überzahl gegen uns zwei so bedeutend, daß ich wirklich vorzog, zunächst meinen Talisman zu erproben. Schon langte ich nach der Schnur, da öffnete sich der Eingang, und es erschien ein Mann, der eine solche Länge besaß, daß er mich ganz sicher um einen vollen Kopf überragte. Der Bau seiner Glieder war dieser Länge vollständig proportional, so daß er den Eindruck einer mehr als ungewöhnlichen Körperkraft machte.
    „Der Dschiahur!“
    So hörte ich es aus dem Mund einiger der Chinesen erklingen, und unwillkürlich zogen sie sich noch weiter von uns zurück, wie um anzudeuten, daß nun er der Herr unseres Schicksales sei.
    Das also war der Unteranführer des berüchtigten Kiang-lu! Bei ihm gab es sicherlich keine Spur von Feigheit, das war aus seiner Nationalität zu schließen. Die Dschiahurs bilden nächst den Kolos, welche von den Chinesen Si-san genannt werden, denjenigen mongolischen Völkerstamm, welcher von der Kultur noch am wenigsten berührt worden ist. Sie sind stark, tapfer, genügsam, aber auch rachsüchtig und roh, und allgemein ist von ihnen bekannt, daß der Raub als eine Art Sport von ihnen ausgeübt wird. Dieser Dschiahur war sehr gut bewaffnet; er hatte, was in dieser Gegend eine Seltenheit ist, hohe mongolische Stiefel, und die wenigen, aber wohlgepflegten Haare seines dünnen Schnurrbartes hingen ihm beinahe bis zum Gürtel hernieder.
    Er überflog die ganze Versammlung mit einem raschen, stechenden Blick seiner kleinen, listig kalten Augen und trat dann zu den beiden

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