34 - Die Hexen von Kregen
interessierte mich nicht; ich schob mich zur anderen Seite, wo der gegenüberliegende Tunnel, ein Kreuz bildend, Licht zeigte. Hinter Vorhängen erklangen Stimmen. Drei Wächter in braunweißer Aufmachung standen dort. Sie hatten ihre Speere umfaßt und musterten mich aufmerksam.
Ich benutzte die Standardworte und ließ anklingen, daß ich ein Anhänger hohen Ranges sei, der unbedingt den Oberpriester in einer sehr dringenden Angelegenheit sprechen müsse, und daß die drei mich schleunigst durchlassen sollten, wenn sie sich weiter ihrer Gesundheit erfreuen wollten. Bratch!
Sie bratchten und grüßten, und ich hob die Vorhänge zur Seite und trat in die dahinterliegende Kammer.
Weitere Vorhänge versperrten den Blick nach links, aber Stimmen und ein metallenes Klirren verrieten, daß sich die Jünger und Schlächter dort auf die Folterungen des Abends vorbereiteten. Nach rechts war der Vorhang halb aufgezogen, und ich erblickte Männer und Frauen mit den prächtigeren Masken von Unterpriestern. Mein Ziel lag geradeaus.
Da die beiden Männer, die hier Wache standen, zwei Apims, mich nicht durchlassen wollten, schickte ich sie übergangslos in das Reich des Schlafes. Ich packte sie mit beiden Händen und ließ sie zu Boden sinken, der hier mit einem silbergemusterten Teppich bedeckt war. Dies tat ich nicht, um ihnen den Schmerz des Sturzes zu ersparen, sondern um zu verhindern, daß ein lärmendes Geräusch den Priester hinter dem Vorhang alarmierte.
Als ich mich zu ihm durchdrängte, hob er den Blick. Er hielt die Maske in der Hand, schon war er in seine prächtige Robe gehüllt.
»Was ...?«
Sein Gesicht zeigte die rundlichen Spuren eines guten Lebens, vielfach geädert vom reichlichen Genuß von Alkohol. Er trug zahlreiche Ringe, eine verabscheuungswürdige Eigenheit. Er war massiv gebaut und etwa so groß wie ich, und ich streckte ihn wortlos nieder. Die ihm entgleitende Maske fing ich auf, und gleich darauf fiel er mit dem Gesicht nach unten auf den Teppich, und sein Blut befleckte die hellen Silberfäden des Gewebes.
Seine Robe paßte mir recht gut. Die Ringe störten sehr, doch mußte ich sie anlegen, weil sie zur Aufmachung dieses Mannes gehörten. Sein Opfermesser, eine scharfe gekrümmte Klinge, nahm ich voller Ekel zur Hand und verstaute es in der dafür vorgesehenen Scheide. Dann tauschte ich seine Maske gegen die meine aus. Als ich fertig war, atmete ich tief durch, ergriff seinen Stab, an dessen Ende ein springender Leem in Silber dargestellt war – ein Wesen mit keilförmigem Kopf und acht Beinen, ein bösartiges, fauchendes Raubtier, ein Symbol, das sehr wohl dazu geeignet war, dem Leichtgläubigen Angst zu machen.
Ich öffnete den Vorhang und zerrte die beiden Wächter an den Fußgelenken dahinter. Ich versetzte ihnen einen weiteren Hieb, damit sie ein Weilchen länger ruhig blieben, dann baute ich mich vor dem Vorhang auf. Es dauerte nicht lange, bis die Jünger des Ordens und die Unterpriester kamen, und schon war die Prozession zum Abmarsch bereit.
Der beklemmende Gestank des Weihrauchs, die Hitze der Kerzen und Fackeln und des Kesselfeuers, in dem die scheußlichen Instrumente glühend gemacht würden – auf dies alles durfte ich nicht achten. Vor mir lag eine Aufgabe, ich hatte mir eine haarsträubende Methode ausgesucht, sie zu lösen, und mußte nun sehen, wie ich damit weiterkam.
Ich, Dray Prescot, Lord von Strombor, Krozair von Zy, verkleidet als Oberpriester des perversen Kults um Lem den Silber-Leem, führte eine Prozession der Scheußlichkeit an.
Ich marschierte nach vorn in die Mitte der freien Fläche und hob beide Arme. Eindrucksvoll waren diese elenden Oberpriester, daran bestand kein Zweifel ... Die Gemeinde wurde ruhiger. Ich richtete das Wort an sie. O ja, ich kannte die lächerlichen Rangordnungen und Titelbezeichnungen und konnte sie in meine Rede einbauen, wie ich es schon bei anderen Oberpriestern erlebt hatte, bis die Gemeinde für die Große Botschaft bereit war. Diesmal aber und weil ich den Gottesdienst wahrscheinlich nicht genau so handhabte, wie es von einem Oberpriester erwartet wurde, erkannte die Gemeinde frühzeitig, daß das Große Wort des Tages irgendwie anders klang.
Und ob, bei Krun! Es sollte wahrlich anders ausfallen!
Nach der Einführung wandte ich mich eiligst dem nächsten Teil zu, wobei ich mich allerdings weiterhin um den sonoren und, wenn ich ehrlich sein will, todlangweiligen Ton mancher Priester bemühte.
»Euer eigener Oberpriester wurde
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