34 - Die Hexen von Kregen
scharen.
Ich sagte dazu lediglich, daß ich in Hamal gekämpft hätte und lieber allein bliebe.
Wenn sie auf der Straße reisen, beschränken sich die meisten wohlhabenden Kämpfer auf ein Tier und führen mehrere andere an der Leine mit, die ihre Habe transportieren. Ich hatte Schwenkohr vorzuzeigen, Nalgre drei Preysanys und einen Totrix. Da er ein vernünftiger Bursche war, ritt er natürlich ebenfalls eine Zorca. Der Ritt an sich, der durch malerische Landschaften führte, war sehr angenehm. Wir hatten es beide nicht eilig. Der Krieg würde auf uns warten.
Am Horizont vor uns erschienen die Schneeberge. Das Wetter blieb gut; Kregens gewaltige gemäßigte Zone sorgt auf viel größere Breite beidseits des Äquators für anständiges Wetter. Wir übernachteten in Gasthäusern, aßen und tranken ausgiebig und kamen gut miteinander aus.
Das Ausbleiben von Räubern gefiel uns. Natyzha übte eine strenge Polizeigewalt in ihrem Kovnat. Nur zweimal wurden wir überfallen. Der erste Zwischenfall war nach kurzem Auf und Nieder der Klingen zu Ende. Das zweite Ereignis war schon ernsterer Natur.
Nalgre wischte hinterher sein Schwert an der Tunika eines toten Räubers ab und sagte: »Diese Kerle sollten erst mal nachdenken, ehe sie losstürmen.«
Ich steckte meine Klinge in die Scheide zurück und sagte beiläufig: »Ach, die beiden haben uns für Dummköpfe gehalten, für leichte Beute, würde ich sagen.«
Die Banditen hatten sich für ihren Angriff einen schmalen Weg zwischen bewachsenen Seitenhängen ausgesucht. Die Drikingerhorde sah furchterregend aus – in zottige Felle gehüllte Gestalten mit Goldornamenten, blitzenden Augen und übelriechend aufgerissenen Mündern.
»Vielleicht hätte ihnen das sinnlose Jahr Schule genutzt, in dem die philosophischen Theorien Olasephs des Nik pauken mußte.« Nalgre stieg auf und trieb seine ›Goldhuf‹ genannte Zorca schnalzend an. »Ich verschwand dort so bald wie möglich und suchte meine Söldnerausbildung. Das war lange her, bei Hlo-Hli!«
Aus dem überschatteten Pfad ritten wir in den Sonnenschein hinaus. Die toten Drikinger hatten nicht viel an ›Befreiungs‹-Beute gebracht, nur einen Ring für Nalgre, bei dem ich sofort abwinkte.
In nachdenklich klingendem Tonfall fuhr er fort: »Ich weiß noch, wie der Lehrer immer darauf herumhackte, das Äußere sei doch alles. Daß es nichts anderes gebe als das, was man an der Oberfläche sehe. Es könne nichts Tieferliegendes durch Einsichten oder Selbstanalyse offenbart geben, denn unter der Oberfläche sei nun mal gar nichts.«
»Ach?« sagte ich, ließ mich von Schiefmaul dahintragen und dachte darüber nach, welch großartiger intellektueller Kommentar mein ›Ach‹ doch war. Zu einer Welt gehörten eben alle möglichen Typen – und auch alle möglichen Philosophien und Theorien, damit die Welt auch geistig etwas zu kauen hatte und vielleicht auch mehr begriff.
»Die Drikinger haben deine schlimm aussehende Zorca erblickt, die Packtiere, meinen Goldhuf, der zweifellos ein begehrliches Glitzern in ihren Augen erscheinen ließ – dann aber entging ihnen das goldene Funkeln an unserer Kehle. Die Kerle haben zwei nachlässig gekleidete Männer gesehen, die in ihr Gespräch vertieft waren und von den Ereignissen ringsum nicht viel mitbekommen hatten. Sie gingen nach dem Äußeren und hatten kein Gespür für die Dinge, die unter der Oberfläche lagen.«
»Tu treibst es mit der Analogie ein bißchen weit, meine ich. Zur Oberfläche gehörten die Pakzahns, die wir tragen. Gewiß geht der Fehler auch auf eine gewisse mangelnde Beobachtungsgabe zurück ...«
»Das räume ich gern ein.« Sein Pandagesicht zeigte Vergnügen, soweit das bei einem solchen Gesicht möglich und für einen Apim erkennbar war. »Aber mein Argument umfaßt die Tatsache, daß sie das Gold lediglich als Schmuck ansahen. Sie glaubten, zwei Ponshos vor sich zu haben, die zum Scheren reif waren, und fielen statt dessen in die Klauen zweier Leems.«
»Gefallen sind sie wirklich, das kann man so sehen.«
»Aber du bist doch auch meiner Meinung, daß man nicht alles im Leben nach der Oberfläche, nach dem Äußeren beurteilen kann, nicht wahr? Eine Person ist mehr als ihre Hülle, mehr als ihre Worte.«
»Manchmal.«
»Nun ja, wenn du nur ein ›Manchmal‹ einräumst, muß die Philosophie Olasephs des Nik versagen.«
»Das begreife ich nicht recht, Nalgre.«
»Der Philosoph trägt zwar schlüssige Argumente vor, doch indem er beispielsweise
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