34 - Die Hexen von Kregen
in Ordnung. Ich mochte zwar zu ihren Gegnern zählen, doch verstanden wir uns. Sie würde mir einen Paß ausstellen lassen, und nichts würde darauf hinweisen, daß der Herrscher von Vallia in Talis Krone gewesen war. Natyzha würde nur an ihren Sohn Kov Nath denken und entsprechend vorsichtig handeln.
So versuchte ich das Problem von einer anderen Seite anzugehen.
»Schön, schön, Hik Saenci. Ich respektiere dein Pflichtbewußtsein. Ich werde die gebotene Freigabe erwirken. Und du kannst mir glauben, daß ich Natyzha bitten werde, dich nicht zu streng zu bestrafen.«
Mit diesen Worten machte ich energisch kehrt, zerrte mein Rapier hoch und marschierte zur Seite des Saales fort. Die Mädchen starrten mir nach, das spürte ich. Aber sie folgten mir nicht. Vermutlich war der Hikdar ziemlich froh, mich endlich los zu sein. Da sie aber sehr den Vorschriften verhaftet war, würde sie Meldung machen. Ich mußte mein kleines Abenteuer abschließen, ehe sie soweit war, ich mußte die Sache schleunigst durchziehen.
Die Tür am Ende des Saales gewährte Zutritt zu einem kleinen Verbindungsgang. Ich befand mich hier im südlichen Teil des Palasts. Ein schwacher Widerschein hinter den Fenstern verriet mir, daß es draußen noch Nacht war und im Augenblick nur einer der kleineren Monde am Himmel dahinhuschte. Ich atmete tief ein, vergewisserte mich, daß der Weg frei war, und stieg dann aus dem Fenster auf den Mauervorsprung. Platz war genug, doch wirkte der Mörtel ziemlich brüchig. Vorsichtig schob ich mich auf dem Vorsprung entlang.
Wie viele Fenster ich passieren mußte, bis ich Natyzhas Privatgemach erreichte, wußte ich nicht. Ich stieß auf drei kleine Fenster, dann auf ein größeres, ein rundes mit kunstvoll gefertigten bunten Scheiben, schließlich erreichte ich das erste einer Gruppe von drei vornehm gestalteten Fenstern. Dies mußten die richtigen sein ...
Hineinzuschauen hatte keinen Sinn, denn dicke Vorhänge versperrten den Blick. Das Fenster war geschlossen und verriegelt. Ich reagierte darauf mit wohlgesetzten Worten und versuchte es am mittleren Fenster der Dreiergruppe. Hier stand der Flügel auf Spalt, um frische Luft in das dahinterliegende Schlafzimmer zu lassen. Kreger sind nicht allzu abergläubisch, zumindest nicht in Vallia, was die schlechte Wirkung der Nachtluft angeht. Ich vermochte mich zur Seite zu drehen, das Krozairschwert zurechtzurücken und mich hindurchzuschieben. Dann verharrte ich reglos und lauschte.
Eine Stimme, die Nalgre Sultant gehören mußte, sagte: »... hättet ihn verhaften müssen. Ich komme! Gebt im Palast Alarm! Sucht ihn überall. Und bratch! «
»Sofort, Jen!« antwortete Hikdar Saencis Stimme.
Eine schwere Tür schloß sich, dann trat Stille ein ...
Das war es also.
Ich schob behutsam den Vorhang zur Seite und schaute hinein. Samphronöllampen brannten hier und dort im Schlafzimmer. Ein riesiges Himmelbett verdeckte eine Wand, Tische und Sessel standen überall herum, man brauchte ein Periskop, um sich auf dem dicken Teppich zurechtzufinden. Mondblütenduft lag in der Luft ...
Dicht hinter der Tür stand der Sänftenstuhl, auf dem Natyzha heute nachmittag ihren Auftritt absolviert hatte. Das war seltsam. Die kompakte Masse der Diamanten auf der Haube des Gherimcal schimmerte kraß im Lampenschein. Die Beine des Stuhls waren wie Chavonths geformt.
Ich trat vom Fenster fort auf den Teppich.
»Du Rast!« rief eine klare harte Mädchenstimme. »Stirb!«
Sie griff mich geschmeidig und schnell von der Seite an. Aber ihre Geschicklichkeit genügte nicht. Nun ja, Nalgre der Punkt war nett zu ihr gewesen. Ich parierte ihren Hieb, und das Schwert sirrte an meinen Rippen vorbei. Ich fing sie auf und ließ sie auf den Teppich sinken. Sie würde eine Zeitlang still vor sich hinschlummern.
Ich näherte mich dem im Schatten liegenden Bett, das zwischen den herabhängenden Stoffbahnen riesig wirkte, und schaute hinein. Das Bett war leer.
Der Stuhl?
Auf leisen Sohlen begab ich mich zu dem Gherimcal, umrundete die langen, dicken, ledergefaßten, gepolsterten Stangen, die von Menschen oder Tieren getragen werden konnten, und schaute ins Innere.
»Ach, Natyzha, da habe ich dich ja endlich gefunden!«
Sie saß aufrecht vor mir, das faltige Gesicht angespannt und schlau wie immer, die Rundungen des verwöhnten Körpers durch die Seidenstoffe deutlich auszumachen. Sie war mit Juwelen übersät, und das Goldschwarz ihres Gewandes schimmerte. Ihre Augen funkelte ebenfalls –
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