34 - Die Hexen von Kregen
Zhan, ich bitte dich.«
Obwohl er ein Hikdar war, der normalerweise über eine ganze Kompanie gebietet, sprach er sehr höflich mit einem Hyr-Paktun. Ich antwortete im gleichen Ton und versuchte die Stimmung damit noch zu verbessern.
»Also, Hik, da kannst du mich lange fragen. Ich wurde von einem netten kleinen Abendessen fortgerufen. Mein Befehl lautet, mich sofort – sofort! – im Gemach von Solars Dankbarkeit einzufinden, um der Kov-Witwe zu dienen.« Ich seufzte vielsagend. »Ich habe seit meiner Einstellung gut gearbeitet. Ich bete zu Havil, daß ich nicht irgendeinen Fehler gemacht habe, von dem ich nichts weiß.«
»Ja, hier herrscht ein strenges Regiment«, antwortete der Hikdar. Sein Schnabelgesicht musterte mich von der Seite. Sein Gefieder war von einem geschmackvollen Grün, dazu trug er zusätzliche Federn von hellerer Farbe. »Man hat mir aber gar keinen Bescheid gegeben.«
Ich strich die Butter besonders dick auf. »Das ist wirklich seltsam, Hik, bei einem Mann in deiner wichtigen Stellung. Vielleicht kam die Nachricht, ehe du deinen Dienst antratest. Anders könnte ich mir das nicht erklären.«
»Ja, du wirst recht haben. Es gibt keine andere Erklärung. Ich werde mit Hikdar Morango darüber sprechen; er hätte das auf der Tafel notieren müssen.«
»Richtig, Hik. Also, ich traue mich nicht, die Kov-Witwe länger warten zu lassen ...«
Er winkte die Männer zur Seite, und zwei öffneten mir sogar die Tür. Ich äußerte letzte höfliche Worte und marschierte hindurch. Bei einem einfachen Söldner, vielleicht auch bei einem Mort-Paktun hätte diese List nicht funktioniert. Der goldene Schein der Pakzhan auf unserer Brust wirkt zuweilen Wunder – er öffnet Türen!
Nachdem ich mir zu den Gemächern von Solars Dankbarkeit Zutritt verschafft hatte, machte der Bluff keine Schwierigkeiten mehr. Niemand, der sich durch diese luxuriösen Räumlichkeiten bewegte, konnte etwas anderes sein, als er zu sein schien, denn die Wächter ließen nur denjenigen durch, der ein Recht hatte, sich hier aufzuhalten. Da ich hier war, hatte ich folglich das Recht dazu. Dies würde immerhin so lange dauern, bis ich das letzte Schlafzimmer erreicht hatte. Danach ...
Vor der letzten Tür standen fünf Jikai-Vuvushis. Diese Tür war aus getriebenem Goldblech und verschloß die Räumlichkeiten, die Vad Nalgre Sultant seinen wichtigsten Gästen vorbehielt. Bestimmt hatte auch der alte Herrscher während seiner Reisen durch den Nordwesten seines Reiches hier gewohnt.
»Na?« fragte der Hikdar. Sie war ein gut ausgerüstetes Mädchen mit knirschender Rüstung. Sie umfaßte den Speer auf eine Weise, die mir verriet, daß sie nicht nur wußte, wie man damit umging, sondern ihn bei geeigneter Gelegenheit auch einsetzen würde. Ein Zug um ihre Wangen und das Stirnrunzeln ließen mich vermuten, daß sie auf die Gelegenheit lauerte, jemanden anzuspitzen.
Ich versuchte es mit der gleichen Geschichte.
Aber die Mädchen wollten nichts davon wissen.
»Das kann nicht sein. Ich weiß von nichts.« Sie warf einen Blick auf ihren weiblichen Deldar, der stramm dastand und beinahe so kräftig wirkte wie sie. »Weißt du von der Sache, Deldar?«
»Nein, Hikdar Saenci.«
»Also, Tikshim? Heraus damit!«
Nun mußte ich bei der Geschichte bleiben ...
»Hast du deine Kommandotafel überprüft?«
»Du unverschämter Cramph! Ich kenne meine Pflichten besser als du, du Vorwand für einen Hyr-Paktun! Ich habe schon gewichtigere Burschen als dich zum Frühstück vertilgt und die Kerne wieder ausgespuckt!«
»Zufällig kenne ich die Kov-Witwe«, sagte ich. »Wenn du nicht sofort die Tür öffnest und mich hineinläßt, kannst du nicht damit rechnen, daß deine Kerne ausgespuckt werden – nicht einmal auf die Eisgletscher Sicces!«
Bei diesen Worten erbleichte sie. Ich mußte es ihr aber lassen; sie hielt sich an ihre Pflicht, an ihre Verantwortung und lag damit natürlich völlig richtig.
»Durchaus möglich, daß du die Kov-Witwe kennst«, sagte sie, »aber du bist ein einfacher Mann und erhältst keinen Zutritt zu ihren Privatgemächern. Vielleicht kennst du sie aber auch nicht, was ich eher annehme. Deshalb werde ich dich festhalten und Erkundigungen einziehen.«
Sie waren zu fünft und entstammten einem Orden, den ich nicht kennen konnte. Es waren keine Schwestern der Rose oder des Schwertes; soviel war klar. Ich konnte nicht kämpfen und sie töten.
Sobald ich Natyzha zu Gesicht bekäme und sie die Lage begriffe, wäre alles
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