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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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einem Wangen- oder Handkuss? Und was sollte er machen, wenn er nicht mithalten konnte mit ihrer Sinnlichkeit, wenn er nicht witzig genug war, nicht geistreich, nicht annähernd so charmant wie ihre irakischen Hallodris? Er würde das alles nicht durchstehen, er war für diese Art Unvorhersehbarkeiten einfach nicht gemacht.
    Das Taxi hielt, und Horowitz stieg direkt vor einem kleinen, schäbigen Hotel aus. Hotel Pension stand in altmodischer Typographie auf dem flackernden Schild, aus dem eine gläserne Ecke herausgebrochen war. Durch die Schwingtür sah er die Rezeption, eine Zimmerpalme und einen Aufsteller mit Stadtplänen und Postkarten. Es war nichts zu machen. Wenn er nicht für immer und ewig ein Faschingskapitän bleiben wollte, dann musste er da jetzt hineingehen.
    Er erblickte Sibylle, noch bevor er den Rezeptionisten mit dem schütteren grauen Haar und dem imposanten Schnauzbart nach ihr fragen musste. Sie stieg in dem Samtmantel, den sie bereits heute Vormittag getragen hatte, und einem Seidenschal mit Schmetterlingsmotiven aus dem Hotel-Fahrstuhl. Sie strahlte ihn an, hakte sich bei ihm unter, zwinkerte dem Schnauzbärtigen zu, zog Horowitz auf die Straße und küsste ihn dort auf die Wange. Ihr Lippenstift war rosarot und roch nach Erdbeeren. Die Begrüßung war überstanden. Sibylles Arm war weich und gepolstert, ihre Hüfte rieb sich an seiner und ihre Locken kitzelten seinen Hals.
    »Schön, dass Sie gekommen sind. Ich war mir da nicht so sicher…«, sagte sie schmunzelnd.
    »Diesen Abend hätte ich mir doch nicht entgehen lassen«, sagte Horowitz und biss sich auf die Lippe.
    »Um die Ecke gibt es einen Iraker, der macht himmlisches Hummus, und ich habe eine Faiblesse für Hummus und Iraker.«
    Horowitz schwieg. Hummus und Iraker? Er hatte schon verloren…
    »Und natürlich für Trockensuppen, die ihre Brille festknoten«, schob sie nach.
    Horowitz versuchte zu lachen, aber so recht wollte es ihm nicht gelingen. Er schluckte. Jetzt bloß nicht gleich humorlos werden oder empfindlich oder am schlimmsten: beides zugleich.
    Doch Sibylle lehnte ihren Kopf einmal kurz an seine Schulter und sagte: »Kommen Sie! Ich wollte Sie nur ein bisschen auflockern. Ich hatte das Gefühl, dass ich Sie ein wenig einschüchtere… Sie sind in diesen Dingen vollkommen aus der Übung, wie mir scheint. Dabei bin ich…«
    Horowitz schaute sie zögerlich fragend an.
    »…so erleichtert, dass Sie mich nicht einfach haben ziehen lassen. Das rechne ich Ihnen hoch an. Hatte irakische Qualitäten, wie Sie da in Ellas Haus die Treppe hinabgestürmt kamen. Und außerdem bin ich auch aus der Übung, ob Sie mir das nun glauben oder nicht.«
    Horowitz atmete aus.
    »Sindbad!«, rief er aus, als sie das Restaurant erreicht hatten und Sibylle die Tür öffnete. »Wie kann man sein Restaurant Sindbad nennen? Das ist wirklich der Gipfel des Kitschs.«
    »Warum?«, fragte Sybille. »Sindbad war doch ein tapferer kleiner Seefahrer. Denken Sie nur an all seine Schiffbrüche, und immer wieder hat er sich eigenhändig aus dem Schlamassel gezogen. Das ist doch nicht schlecht! Bevor Sie hier rumschimpfen: Haben Sie überhaupt schon mal einen Schiffbruch überlebt?«
    »Nun«, sagte Horowitz leise, »vielleicht: ja.«
    Nachdem Sibylle den Besitzer und die drei untersetzten, pomadierten Kellner begrüßt hatte, nahmen sie an einem kleinen Tisch am Fenster Platz, bekamen frischen, zuckersüßen Pfefferminztee serviert und bestellten eine Flasche Weißwein.
    »Sind Sie denn mal zur See gefahren?«, fragte Sibylle.
    »Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ja und nein, vielleicht.«
    Sibylle stutzte: »Also, das müssen Sie mir erklären, wie das geht: zur See fahren und nicht zur See fahren?«
    »Das frage ich mich auch«, sagte Horowitz und trank einen Schluck Tee. »Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Natürlich gibt es einen Unterschied, ob man zur See gefahren ist oder ob man sich das nur vorgestellt hat, aber ich weiß immer weniger, wie man diesen Unterschied bewerten soll. Jedenfalls habe ich mein ganzes Leben lang nichts anderes gewollt, als aufs Meer zu fahren.«
    »Sehen Sie«, sagte Sibylle und schnalzte mit der Zunge, »hab ich es doch gleich gewusst: dass Sie jemand sind, der seine Träume gelebt hat.«
    »Ich…«
    »Jetzt sagen Sie nicht, dass nichts draus geworden ist.«
    »Aus mir jedenfalls nicht«, sagte Horowitz schmunzelnd, »und aus dem Meer ein Feld für Umweltschützer und Meeresbiologen, also insgesamt ein ziemliches

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