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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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Sibylle und legte ihre Hand auf seine.

18
    Freitagabend. Die erste Arbeitswoche war vergangen, ohne dass sie sich bei Paul gemeldet hatte. Jetzt saß Ella in der U-Bahn auf dem Weg vom Sender in die Fasanenstraße.
    Sie fühlte sich wohl im Sender, bekam mehr und mehr Aufgaben übertragen, und die Abende waren mit der Arbeit an ihren Porträts gefüllt. Sie telefonierte mit Natalia, erzählte ihr eine Geschichte über Dorothy Parker und gab sich ansonsten große Mühe, nicht zu viel nachzudenken. Sie versuchte sich in Horowitz’ Wohnung einzuleben, duschte so lange, bis ihre Haut rot wurde, kaufte die teuren Tomaten, die noch fest an den Stauden saßen, und die gute Milch in der Glasflasche. Sie betrank sich mit Wodka, Wein und Schnaps und lief nachts durch die Wohnung. Sie las Joan Didions Das Jahr magischen Denkens , in dem Didion den Tod ihres Mannes zu begreifen versucht, und stapelweise Klatschzeitschriften, aber sie kam keinen Schritt weiter. Dass sie auch vor sich selbst abtauchte, war ihr noch nie gekommen. Und jetzt stand das Wochenende vor der Tür.
    Als Ella den Kudamm entlanglief, entlud sich ein gewaltiges Sommergewitter. Es donnerte so laut, dass sich plötzlich etwas in ihr löste, das bis dahin den Atem angehalten hatte. Sie wollte jetzt reden, sie musste jetzt reden, und sie musste mit jemandem reden, der sie gut kannte. Horowitz und Natalia kamen also nicht in Frage. Ella schaltete das Telefon ein, rief ihre Schwester an und bat sie, vorbeizukommen. »Wenn, dann jetzt gleich«, sagte ihre Schwester, »später bin ich verabredet.«
    Das Gewitter war so heftig, dass Ella völlig durchnässt in Horowitz’ Wohnung ankam. Die nassen Kleider lagen nun verteilt auf dem Flurboden, und die neuen Sandalen standen schlapp im Eingang und ließen ihre Riemchen hängen. Ella konnte sich gerade noch abtrocknen und einen Bademantel überwerfen, bevor ihre Schwester klingelte.
    Jasmin ließ den Regenschirm aufgespannt im Treppenhaus stehen, schlüpfte aus den Gummistiefeln und fragte Ella, wohin sie das knöchellange Regencape zum Trocknen hängen solle. Unter dem Cape war Jasmin absolut trocken. Nachdem Ella Jasmin das Badezimmer gezeigt hatte, lotste sie ihre Schwester in den »großen Salon«, kauerte sich in eine Ecke des Sofas, ihre Haare schwer und nass über die Schultern hängend, und wickelte sich in eine Decke. Jasmin pfiff durch die Zähne.
    »Nicht schlecht!«, rief sie aus. »Da hast du aber einen guten Tausch gemacht! Wie viele Quadratmeter sind das hier?«
    Ella zuckte mit den Schultern.
    »Hast du das nicht gefragt?«
    »Dieses Zimmer hier nennt Horowitz seinen ›großen Salon‹«, sagte Ella.
    Inzwischen hatte es aufgehört zu donnern, aber draußen toste noch der Wind, und der Regen prasselte gegen die Sprossenfenster.
    »Na ja, zweihundertfünfzig werden es schon sein, soweit ich das überblicken kann, aber merkwürdig ist es hier. So eine Wohnung hab ich ja noch nie gesehen. Ist das da das Aquarium, von dem du erzählt hast?«, fragte Jasmin.
    Ella nickte.
    »Wie aus einer anderen Zeit. Wie eine Theaterkulisse«, sagte Jasmin.
    »Können wir später über die Wohnung reden? Ich muss was anderes mit dir besprechen…«
    »Ja«, sagte Jasmin, »obwohl ich ja gern noch…, aber das hat Zeit. Was gibt’s denn? Wie war denn die erste Woche im Sender?«
    »Gut.«
    »Klingt aber nicht so.«
    »Doch, doch, alles gut. Nette Kollegen, nette Stimmung, gute Kaffeemaschine, alles wunderbar. Sie werden gleich eins meiner Porträts produzieren, aber das ist es gar nicht, was ich dir erzählen wollte, das passiert gerade alles nur am Rande. Letzten Sonntag…«
    »Eine neue Arbeit fühlt sich immer komisch an«, unterbrach Jasmin sie, »wirst sehen, dauert zwei Wochen, bis man ankommt.«
    Ella wendete sich ab. Wie hatte sie nur denken können, es würde ihr helfen, mit ihrer Schwester zu sprechen. Ihre Schwester konnte nicht trösten, das hatte sie doch noch nie gekonnt.
    »Ich muss dir was sagen…«, sagte Jasmin nun plötzlich mit einer veränderten Stimme.
    Ella richtete sich wieder auf.
    »Leo war nicht in Hamburg, er war in Berlin.«
    Ich weiß, dachte Ella und sagte: »Ja?«
    »Und es war keine andere Frau.«
    »Nein?«, fragte Ella.
    »Er wollte ein Geheimnis haben oder so. Ganz hab ich es immer noch nicht verstanden. Er hat sich um Kopf und Kragen geredet, gemeint, er würde einfach mal einen Abend brauchen. Einen Abend, der nichts anderes sein musste als ein Abend. Einfach nur ein Abend. Und nach

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