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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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Telefon ging, sich drei Abende hintereinander in der Wohnung verbarrikadierte oder schweigend neben ihm lag und an die Decke starrte, konnte Paul auch immer besser umgehen. Denn kaum tauchte Ella wieder auf, war sie so sanft und stürmisch, vergnügt und verführerisch, dass er nicht genug davon bekommen konnte.
    Heute hatte Ella Paul, seinen Sohn, ihre Nichten und Neffen zu einer kleinen Feier eingeladen. Ellas drittes Porträt war erfolgreich im Sender gelaufen, und darüber freute sie sich so sehr, dass sie das mit Paul und den Kindern in Horowitz’ Wohnung feiern wollte.
    Ella war barfuß und strahlte übers ganze Gesicht, als sie die Tür öffnete: »Kommt herein. Heute spielen wir Insel.«
    Pauls Sohn stürmte hinein. Ella strich ihm übers Haar und küsste Paul auf den Mund. Dann lotste sie die beiden in das Horizontzimmer, in dem schon ihre Nichten und Neffen warteten. Ella hatte eine grüne Decke auf dem Holzboden ausgebreitet und Kokosnüsse, Bananen, eine aufgeschnittene Ananas und rohen Thunfisch auf Bananenblättern ausgebreitet. Es gab Rum aus der Flasche und lauwarmes Wasser.
    »Jetzt picknicken wir erst mal«, sagte sie, und die Kinder machten sich über die Früchte her und hoben den rohen Fisch angeekelt in die Höhe. Ella balancierte am Rand der Decke entlang und berührte mit den Zehenspitzen immer wieder das Holz, um sie schnell wieder zurückzuziehen: »Nachher gehen wir schwimmen. Das Wasser ist herrlich.«
    Als die Kinder alles aufgemampft hatten, erzählte sie ihnen die Geschichte von Robinson Crusoe. Wie er seinen kleinen Freund Xuri an den portugiesischen Kapitän verkauft und Freitag kennenlernt, wie er sich eine Festung baut und ein Kreuz errichtet, in das er jeden Tag eine Kerbe ritzt. Und dass die Geschichte den längsten Titel der Welt trägt: Das Leben und die seltsamen überraschenden Abenteuer des Robinson Crusoe aus York, Seemann, der 28 Jahre allein auf einer unbewohnten Insel an der Küste von Amerika lebte, in der Nähe der Mündung des großen Flusses Oroonoque; Durch einen Schiffbruch an Land gespült, bei dem alle außer ihm ums Leben kamen. Mit einer Aufzeichnung, wie er endlich seltsam durch Piraten befreit wurde. Geschrieben von ihm selbst.
    Die Kinder staunten, lauschten Ellas Geschichte, rochen am Rum und verzogen die Gesichter. Pauls Sohn machte Affengeräusche und tanzte um die Szenerie herum, und Ella saß wie eine satte Häuptlingsfrau in der Mitte und strahlte. Danach durften sich alle auf Ellas Bett im Löwenzimmer legen und Pippi Langstrumpf in Taka-Tuka-Land hören.
    Als die Kinder gegangen waren und Paul seinen Sohn nach Hause gebracht hatte, kochten Ella und Paul in Horowitz’ Küche einen Lammbraten. Genau das Richtige für einen herbstlichen Abend. Ella zündete überall Kerzen an und fütterte Paul zwischendurch mit schwarzen Oliven.
    »Wusstest du, dass Capote für die Verfilmung seines Romans an Marilyn Monroe und nicht an Audrey Hepburn gedacht hat?«, fragte Ella. »Capotes Holly ist nämlich viel brüchiger als die im Film, das ganze Buch ist viel brüchiger, melancholischer, und es gibt auch kein Happy End.«
    »Kein Happy End?«
    »Jedenfalls nicht für Holly und Paul. Holly dampft ohne Paul nach Buenos Aires ab. Und alles, was er je wieder von ihr hört, ist eine Postkarte mit einem Lippenstiftkuss, und darunter steht, dass sie sich schon wieder einen reichen, verheirateten Mann geangelt hat. Das war’s.«
    »Und der Kater?«
    »Den hat sie nie wiedergesehen. Sie hat ihn zwar auch im Regen ausgesetzt – wie im Film, aber nachgelaufen ist sie ihm nicht.«
    »Das sieht ihr ähnlich«, sagte Paul schmunzelnd.
    Ella stieß Paul in die Rippen: »Ich würde dir nie eine Postkarte aus Buenos Aires schicken.«
    Als sie abends im Bett lagen, schaute er Ella von der Seite an, die in einem gelben Nachthemd und der türkisblauen Schlafbrille auf den Augenlidern neben ihm lag. Noch nie hatte er so eine federleichte, eigenwillige und geheimnisvolle Frau kennengelernt, und noch nie hatte ihn jemand so aus der Reserve gelockt. Ein Teil von ihm hatte immer auf der Bank gesessen und hatte dem Treiben zugesehen. Selbst in den Streiten mit seiner Frau hatte es diesen Teil von ihm gegeben, der unberührt blieb – von ihren Vorwürfen und seiner Härte. Das hatte ihn alles nicht gestört, er dachte, so wäre das eben.
    »Paul?«, fragte Ella leise, ohne die Schlafbrille von den Augen zu nehmen.
    »Das war ein schönes Fest heute, findest du nicht? Ich überlege mir

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