34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
leugnen.“
„Und eure Hütte ist der Ort, zu dem man die Vögel schleppt, die man rupfen will. Sie aber sind das Lockvögelchen, welches die Beute in das Netz bringt. Habe ich recht?“
Erst nach einer Weile stieß sie hervor:
„Muß ich nicht dem Vater gehorchen?“
„Leider! Darum bin ich auch nachsichtig mit Ihnen, aber nur so lange, als Sie aufrichtig antworten. Heute sollten Sie den Señor nach der Hütte bringen, nicht wahr?“
„Ja.“
„Sie mußten sich in einiger Entfernung von der Quinta des Señor Tupido aufstellen. Ihr Vater stand bei Ihnen. Es war verabredet worden, daß er Sie überfallen wolle, sobald der Alemano komme. Dieser letztere solle Sie befreien und nach Hause begleiten? Um den Fremden ganz sicher anzulocken, sollten Sie sagen, daß Ihre Großmutter eine Deutsche sei?“
„Ja.“
„Jedenfalls haben Sie das auch getan. Aber, wissen Sie denn, was geschehen sollte, wenn Sie diesen Señor nach der Hütte gebracht hatten?“
„Man wollte ein Spielchen machen.“
„So sagte man Ihnen; aber man hatte etwas ganz anderes vor. Man wollte ihn ermorden.“
„Santa Madonna de la cruz! Das ist nicht wahr!“
Die Entrüstung, mit welcher sie dies sagte, war eine ungeheuchelte; das hörte ich ihrem Ton an.
„Es ist sehr wahr. Man hätte Sie und die Großmutter schlafen geschickt und den Señor getötet.“
„Mein Vater spielt gern, wie jedermann hier; aber ein Mörder ist er nicht!“
„Armes Mädchen! Das ist eine Täuschung. Ihr Vater verkehrt mit den berüchtigtsten Bravos. Doch will ich gegen Sie lieber davon schweigen. Sie, Señor, werden neugierig sein, zu erfahren, wie ich hierher und hinter diese Geheimnisse gekommen bin. Ich werde es Ihnen nachher erzählen. Jetzt aber können Sie sich Ihre Mörder einmal ansehen, ohne daß es für Sie eine Gefahr dabei gibt. Warten Sie, nachdem ich mich jetzt entfernt habe, noch ungefähr fünf Minuten. Dann gehen Sie langsam mit der Señorita auf die Hütte zu. Das übrige werde ich besorgen.“
„Warum gehen Sie nicht mit uns?“
„Weil der Mond so hell scheint, und weil man Sie mit der Señorita erwartet. Man blickt Ihnen ganz gewiß aus dem Fenster entgegen. Darum müssen Sie beide allein kommen, damit kein Verdacht erregt werde. Ich hingegen folge meinen Kameraden, welche auf einem Umweg voran sind, um von hinten an das Häuschen zu kommen.“
„Was sind diese Ihre Kameraden!“
„Brave Yerbateros, wie ich, die sich selbst vor dem Teufel nicht fürchten. Sie werden sie wohl noch kennenlernen. Also ich gehe, und nach fünf Minuten gehen dann Sie!“
Er wandte sich nach der Straße, in deren Seitenschatten er verschwand. Das Mädchen war von mir zurückgetreten, aber ich hielt sie noch immer am Handgelenk fest.
Fast konnte ich es nicht glauben, daß dieses Kind mit den unschuldsvollen Gesichtszügen die Zubringerin einer Spielerband sei. Das Mädchen hatte wohl gar keine Ahnung von der Verwerflichkeit dessen, was sie getan und bis heute abend getrieben hatte. Daß man mir nach dem Leben trachtete, wußte sie nicht. Davon war ich überzeugt. Ich war überhaupt geneigt, sie von jeder Schuld frei zu sprechen. Das Mädchen wartete, bis von dem Yerbatero nichts mehr zu sehen und zu hören war; dann fragte sie mich:
„Señor, glauben auch Sie es, daß mein Vater Ihnen nach dem Leben trachte?“
„Auf diese Frage kann ich keine bestimmte Antwort geben, mein Kind. Ihren Vater kenne ich nicht; von dem Mann aber, welcher mir diese Mitteilung machte, glaube ich annehmen zu dürfen, daß er mir keine Unwahrheit sagt. Ich denke, daß er seine guten Gründe haben wird, einen solchen Verdacht auszusprechen. Wie dem aber auch sei, so bin ich vollständig überzeugt, daß Sie mit diesem ruchlosen Plan nichts zu tun haben.“
„Nein, gewiß nicht, ich nicht und auch die Großmutter nicht.“
„Sie lieben wohl Ihre Großmutter sehr?“
„Sehr, Señor, viel mehr als den Vater.“
„Und doch gebrauchten Sie dieselbe als Lockung, mich nach der Hütte zu bringen!“
„Das war mir so gesagt worden, und ich mußte gehorchen, sonst wäre es mir nicht gut ergangen.“
„Aber Sie haben Ihren Auftrag in so ausgezeichneter Weise ausgeführt, daß ich annehmen muß, Sie seien in solchen Sachen außerordentlich erfahren. Sie besitzen ein bedeutsames Verstellungsvermögen.“
„Das lernt man ja, wenn man es oft machen muß.“
Fast hätte ich über diese Worte lachen müssen und über den Ton, in welchem sie dieselben vorbrachte. Sie war
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