34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
eine heißblütige, leichtlebige Südländerin und nicht gewöhnt, über das, was sie tat, viel nachzudenken. Es war vorauszusehen, daß sie zugrunde gehen werde; aber ich konnte ihr nicht helfen. Darum schwieg ich und trat nach den abgelaufenen fünf Minuten den Weg mir ihr an.
Der Mond beschien sehr hell die ganze Fläche, welche zwischen uns und der Hütte lag. Man mußte uns von dem Fenster derselben aus kommen sehen. Als wir noch nicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, fragte mich das Mädchen:
„Was meinen Sie, Señor, werden die Männer, welche uns anhielten, mit meinem Vater schlimm verfahren?“
„Sie haben wohl keine Veranlassung, ihm viel Gutes zu erweisen.“
„So muß ich die Leute in der Hütte warnen!“
Ich war auf einen Fluchtversuch nicht gefaßt und hielt infolgedessen ihre Hand nicht mehr so fest wie vorher. Sie riß sich los und eilte davon. Aber mit einigen Sprüngen hatte ich sie wieder erreicht und ergriff sie beim Arm.
„Halt, Señorita; so schnell und ohne allen Abschied wollen wir uns doch nicht trennen. Es würde unhöflich sein, den Schutz ohne Dank zu verlassen, in den Sie sich begeben haben.“
Sie stieß einen tiefen, ärgerlichen Seufzer aus, sagte aber von jetzt an kein Wort mehr und folgte mir willig weiter. So kamen wir an die Hütte. Noch ehe wir die Tür öffnen konnten, wurde dieselbe von innen aufgestoßen, und beim Schein der drin brennenden Lampe sah ich einen Mann, welcher ein buntes Tuch um den Kopf trug, ungefähr wie die Gauchos sich ähnliche Tücher über den Hut um das Kinn binden. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, da er das Licht im Rücken hatte.
„Endlich, endlich!“ sagte er. „Deine Großmutter hat mit Schmerzen auf die Medizin gewartet.“
„Du, Vetter, bist da?“ fragte sie erstaunt. „Dich konnte man heute und so spät nicht erwarten.“
„Die Sorge um die Kranke trieb mich her. Aber, du bist nicht allein. Seit wann läßt sich mein Mühmchen in so später Stunde in Herrenbegleitung sehen?“
„Seit heute, wo ich von einem wüsten Menschen angefallen wurde. Dieser Señor befand sich glücklicherweise in der Nähe und hat mich von dem Zudringlichen befreit. Wollen wir ihn bitten, hereinzukommen, um dem Großmütterchen Gelegenheit zu geben, ihm zu danken?“
Das gewandte Mühmchen spielte ihre Rolle ganz so, wie sie ihr aufgetragen worden war, obgleich sie wußte, daß nun der Erfolg ausbleiben werde. Sie wußte wohl nicht, welches andere Benehmen in ihrer Lage besser einzuschlagen sei.
„Ganz natürlich!“ antwortete der Vetter. „Bitte, Señor, treten Sie herein! Sie sind uns auf das herzlichste willkommen.“
Er trat zur Seite, um die Türöffnung freizugeben; das Licht fiel auf sein Gesicht, und ich erkannte – den Bravo. Der Kerl verstand es sehr gut, seine Stimme zu verstellen. Daß er anstatt des Hutes ein Tuch um den Kopf trug, gab ihm ein verändertes Aussehen. Hätte ich sein Gesicht nicht am Nachmittag genau betrachten können, so wäre ich jetzt getäuscht worden.
„Danke, Señor!“ antwortete ich zurückhaltend. „Ich will nicht stören. Ich habe die Señorita bis an ihre Wohnung gebracht, was ich ihr versprochen hatte, und meine Zeit ist mir nicht so reichlich zugemessen, daß ich hier verweilen könnte.“
„Nur auf einen Augenblick, auf einen einzigen Augenblick, Señor!“
„Nun gut, um das Großmütterchen zu begrüßen. Oder befinden sich noch andere Personen drin?“
„O nein. Nur mein Pate ist noch da mit seinem Sohn, sonst weiter niemand. Sie müssen einen Schluck mit uns trinken, bis der Vater der Señorita kommt, welcher in einigen Minuten von seinem Ausgang zurückkehren wird. Mein Mühmchen ist ein liebenswürdiges Wesen; Sie müssen sie kennenlernen. Kommen Sie also, kommen Sie, Señor!“
Er sagte das in so freundlichem und dringendem Ton, daß er jeden andern getäuscht hätte. Ich aber zögerte, seiner Aufforderung zu folgen. Da erklang es hinter mir:
„Gehen Sie getrost hinein, Señor! Es ist wirklich so, wie Ihnen dieser gute Sobrino (Vetter) sagt. Es wird Ihnen außerordentlich gefallen. Ich gehe auch mit hinein. Gehen Sie – gehen Sie!“
Es war der Yerbatero, welcher mich nach der Tür schob. Der Bravo fragte überrascht:
„Noch einer! Wer sind Sie, Señor?“
„Ich bin der Begleiter des Vaters, welcher soeben von seinem Ausgang zurückkehrt“, antwortete der Yerbatero. „Nur immer hinein, hinein!“
Er schob mich; ich schob die Señorita, und diese schob den
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