34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
davongeritten. Die Beschreibung, welcher der Wirt lieferte, stimmte ganz genau. Es war Mateo, der frühere Kaufmannslehrling. Eine Stunde hinter dieser Station kamen wir an die Cuchilla grande, den bereits erwähnten Gebirgszug. Aber von Bergen war auch hier keine Rede. Auf unbedeutenden Bodenerhebungen standen einzelne Felsen, welche den Überresten einer zerfallenen Mauer glichen. Das war das Gebirge.
Als wir es durchkreuzt hatten, gab es wieder die vorige wellenförmige Ebene, deren Grasfläche zuweilen von einem ausgedehnten Distelfeld unterbrochen wurde. Die Disteln hatten mehr als Mannshöhe. Sie verbreiten sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit und nehmen den Bewohnern des Landes nach und nach die besten Weideflächen weg. Zwischen ihnen verbirgt sich allerlei Getier. Ich hörte, daß sie sogar Hirschen und Straußen zum Aufenthaltsort dienen, konnte aber keins dieser Tiere erblicken. So ging es fort bis gegen Abend. Die Pferde der Yerbateros begannen zu ermüden. Sie mußten durch Peitsche und Sporen angetrieben werden. Mein Brauner aber hielt vortrefflich aus.
Als die Sonne im Westen verschwinden wollte, erreichten wir unser heutiges Ziel. Es lag am Rio Perdido und führte denselben Namen. Das Gebäude bestand aus Wänden von festgerammter Erde und war mit Schilf gedeckt. Eine alte Magd und zwei Peons waren zur Stelle. Wir erfuhren, daß der Besitzer in Mercedes abwesend sei und erst morgen wiederkomme.
Die Station liegt in sehr einsamer Gegend, dennoch wurden uns gute Betten und ein ebenso gutes und auch billiges Abendessen geboten.
Die Einsamkeit pflegt den Menschen wortkarg zu machen. Den beiden Peons hätte man jede Silbe abkaufen mögen. Die Magd war gesprächiger. Ich erkundigte mich, ob im Laufe des Nachmittags ein Reiter hier eingekehrt sei. Als die Peons diese Frage hörten, verließen sie die Stube. Ich sah ihren Gesichtern an, daß sie diese Frage erwartet hatten, aber von der Beantwortung derselben nichts wissen wollten. Die Magd hielt mir stand, aber mit sichtlichem Widerwillen. Sie verneinte meine Frage, doch sah ich ihr an, daß sie mich belog.
„Señorita, wollen Sie einem Caballero, der sich so offen an Sie wendet, eine Unwahrheit sagen?“ fragte ich. „Sie haben so ein gutes, ehrliches Gesicht. Ich denke nicht, daß Sie es über das Herz bringen werden, mich zu täuschen.“
Ich hatte sie trotz ihres Alters Señorita, also Fräulein genannt. Dazu kam der zutrauliche Ton, in welchem ich sprach. Sie konnte nicht widerstehen.
„Ja, Señor, Sie haben das Aussehen eines Caballero“, sagte sie; „aber ich bin gewarnt worden.“
„Von wem?“
„Von eben dem Reiter, nach welchem Sie sich erkundigen.“
„Was hat er gesagt?“
„Das darf ich nicht verraten.“
„So tut es mir leid, daß Sie zu einem Bösewicht mehr Vertrauen haben als zu einem ehrlichen Menschen.“
Ihr Gesicht wurde immer verlegener.
„Mein Gott!“ stieß sie hervor. „Dieser Reiter hat auch gesagt, daß er ein ehrlicher Mann sei, Sie aber ein böser Mensch.“
„Das ist Lüge.“
„Er vertraute uns sogar an, daß er ein Kriminalbeamter aus der Stadt Montevideo sei.“
„Weshalb reiste er?“
„Er wollte Ihnen voraus nach Mercedes, damit Sie dort sogleich bei Ihrer Ankunft arretiert werden können.“
„Hat er Ihnen gesagt, was ich begangen haben soll?“
„Ja. Sie sind ein Aufrührer und Verschwörer, der das Land in Unglück bringen will.“
„Sie haben ihm das natürlich geglaubt. Glauben Sie es denn auch jetzt noch, nachdem Sie mich gesehen haben, Señorita?“
„O, Señor, Sie haben gar nicht das Aussehen eines Mannes, welcher so nach Blut trachtet.“
„Nicht wahr? Ich bin ein ganz und gar friedfertig gesinnter Mensch. Ich bin gar nicht hier im Land geboren, und ich bekümmere mich auch nicht um die Verhältnisse desselben. Ich trachte nach nichts, als nach einem guten Bett, in welchem ich diese Nacht ruhig zu schlafen vermag.“
„Aber das will er nicht. Ich soll Sie nicht im Haus aufnehmen, und sobald die Polizei befiehlt, muß ich gehorchen.“
„Nun, Señorita, so sehr streng gehorsam sind Sie doch nicht gewesen. Sie haben mir die Betten gezeigt und uns in Ihrer Freundlichkeit ein gutes Abendessen versprochen?“
„Ja“, lachte sie gezwungen, „konnte ich denn anders. Sie fragten gar so höflich. Sie nannten mich Señorita, was hier niemand tut, und Sie haben so ein – ein – ein – Wesen wie ein echter Caballero. Es war mir ganz unmöglich, Sie abzuweisen
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