34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
lange. Ein schrilles Freudengeheul ließ mich ahnen, daß irgend etwas für die Kavalleristen Vorteilhaftes geschehen sei. Ich sah mich um. – Wahrhaftig! Da unten zur linken Hand kamen Reiter aus dem Saumgebüsch des Flusses. Der Major hatte seine Leute gefunden und ihnen befohlen, über den Fluß zu gehen. Sie sahen mich; sie sahen ihre Kameraden und antworteten ihnen mit einem ebenso lauten wie triumphierenden Jauchzen. Jetzt befand ich mich nun freilich in der Lage, welche der Deutsche in sehr bezeichnender Weise eine ‚Klemme‘ nennt. Hinter mir den Sumpf, links den Fluß mit vierzig und rechts die Höhe mit zehn Bolamännern. Und dabei befanden sich die ersteren mir nicht etwa parallel, sondern sie waren mir vor. Sie hatten den Fluß nicht unten in der Gegend des Lagerplatzes, sondern eine tüchtige Strecke weiter oben durchschwommen. Das schlimmste war, daß sie nun nach rechts hielten, während ihre Kameraden ihre Richtung nach links herab nahmen. Die Linien dieser beiden Richtungen bildeten einen spitzen Winkel, und wo sie zusammentrafen, lag der Rancho, welchen ich gesehen hatte, als wir bei unserer Ankunft über die Höhe geritten waren.
Es gab eine Rettung für mich, und diese lag vorn, vor mir; zurück durfte und konnte ich nicht. Gelang es mir, den Rancho zuerst zu erreichen, so durfte ich hoffen, zu entkommen. Nicht etwa, daß ich erwartet hätte, in dem Rancho selbst Rettung zu finden, nein; dort wäre ich eingeschlossen worden, wodurch meine Lage nicht verbessert gewesen wäre. Aber es war zu berechnen, daß die Trupps dort zusammentreffen würden. Kam ich ihnen vor, so konnte ich nicht von ihnen umgangen, nicht mehr zwischen sie genommen werden. Darum war die höchste Eile geboten. Unten und oben raste die wilde Jagd vorwärts. Die Kerle wirbelten die Bolas um ihre Köpfe und heulten wie die Indianer. Sie waren überzeugt, daß ich ihnen nicht entgehen könne. Hätte ich den Stutzen bei mir gehabt, so wäre mir gewiß nicht leicht so ein Kerl so nahe gekommen, daß er mich mit der Bola zu erreichen vermochte; aber was nützten mir die armseligen Revolver!
Ich erhob mich in den Bügeln, um mich leichter zu machen. Ich klopfte und streichelte den Hals des Pferdes. Es verstand mich. Auch war es durch das Geheul aufgeregt worden und strengte alle seine Kräfte an. Ich gewann an Raum, langsam zwar, aber sicher. Die andern merkten das. Sie schrien und schlugen auf ihre Pferde ein, vergeblich! Ich berechnete das Terrain, benutzte auch den kleinsten Vorteil, um einen Schritt, einen Zoll des Weges zu sparen, und das hatte Erfolg. Die beiden Trupps näherten sich mir mehr und mehr, aber ich kam doch vor und weiter vor. Schon waren die zehn zurück und die vierzig parallel, die doch vorher so weit vor gewesen waren. Ich jubelte, aber nicht laut, sondern im stillen. Der Rancho kam näher; es war, als ob er auf mich zugeschoben werde. Aber die zur linken Hand waren mir jetzt so nahe, daß ich fast die Gesichter unterscheiden konnte. Sie versuchten ihr Heil mit den Wurfkugeln. Vier, fünf, sechs und noch mehr Bolas flogen auf mich zu, doch keine erreichte mich. Und nun war ich ihnen so voran, daß ein Einholen nicht mehr möglich zu sein schien. Ich war gerettet, oder vielmehr, ich glaubte, gerettet zu sein.
Der Rancho war nicht groß. Sein weißes Mauerwerk leuchtete weit hin, und schattige Bäume überwölbten sein Dach. Eine dicke, ziemlich hohe Mauer umgab ihn; aber über diese Mauer ragten noch die Spitzen undurchdringlicher Kaktushecken hervor. In der Mauer gab es ein breites Tor. Es war geöffnet worden. Zwei Männer und einige Frauengestalten standen vor demselben. Sie hatten von weitem das Wettrennen, die Menschenjagd, bemerkt und waren herausgekommen, zu sehen, um was es sich handle. Der eine der beiden Männer war wie ein Geistlicher gekleidet. Als mein Brauner heranschoß, um wie ein Wind an dem Tor vorüberzuschießen, trat dieser Mann weiter vor, schlug die Arme auseinander, als ob er das Pferd anhalten wollte:
„Halt! Sie reiten ins Verderben!“
Sollte ein Mann, der diesem Stand angehörte, mich belügen? Gewiß nicht! Ich sah nach rückwärts. Die Verfolger waren so weit hinter mir, daß ich getrost eine halbe Minute opfern konnte. Freilich, anzuhalten vermochte ich das Pferd nicht so schnell; ich lenkte es zur Seite, ritt einen scharfen Bogen, blieb dann vor dem Tor halten und fragte:
„In das Verderben? – Wieso?“
„Sie fliehen vor den Leuten dort?“
„Ja.“
„Sind Sie
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