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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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hohe Wellen«, pflegten die Parteispitzen zu sagen. Auf seine Stimme konnte man ungefragt zählen.
    Natürlich belohnte man ihn mit Parteiämtern: Fraktionsgeschäftsführer, Vorsitzender der Fraktionskonferenz. Er wurde zu wertvoll – und war anderseits wiederum nicht wertvoll genug –, als dass man ihm den Sprung in die höheren Regionen ermöglicht hätte. Und seine Wähler, schlichte Farmer, taten ein übriges, indem sie ihn immer wieder ins Repräsentantenhaus entsandten. »Old Fowler«, sagten sie, »ist zwar keine Leuchte, aber die Oberen vertrauen ihm, und er wird ihnen oder uns keine unangenehmen Überraschungen bereiten.«
    Damit behielten sie recht. In letzter Zeit erkannte Beal immer klarer, wie recht sie hatten. Er war nun ›Speaker‹ des Repräsentantenhauses, ein reiner Parteimann. Ein Legislator, der im Ablauf jenes Vierteljahrhunderts ganz nach dem jeweils gültigen Trend der Fraktion liberal oder konservativ war. Ein Befehlsempfänger, der jede Order prompt ausführte – keineswegs brillant, aber willig und so gut verwendbar, wie jeder Mensch, der sich schon längst – und insgeheim sogar mit einem Gefühl der Erleichterung – selbständiges Denken und Handeln abgewöhnt hat.
    Doch manchmal – zum Beispiel jetzt – bereute er, dass er sich selbst nicht treu geblieben war. Seit Jahren schon, seit seine Frau Doris, Tochter einer namhaften Politikerfamilie, seine Schwächen erkannt hatte und ihre Schlafzimmertür vor ihm versperrte, tröstete er sich mit verschiedenen ›Terris‹; in Washington wimmelte es von ihnen. Zuweilen wog Potenz im Bett die Impotenz im Kapitol auf. Aber nicht immer.
    Terri war seit einem Jahr seine Freundin. Er hatte sich nach reiflicher Überlegung gerade mit ihr eingelassen, weil sie jung, aber dabei nicht so hübsch war, dass er jüngere Rivalen fürchten mußte, sinnlich genug, um einen etwas verlebten Mann über Fünfzig noch zu reizen, und ein Luxusweibchen, das für seine Aufmerksamkeiten dankbar war und fast immer Zeit hatte, um mit ihm zu schlafen. Es gab keinen Skandal und kaum Klatschgeschichten über diese Liaison. Schließlich lebte man in sehr freizügigen Zeiten, in denen es erlaubt war, auf der Bühne und in den Kinos nackte Menschen und den Geschlechtsakt zu zeigen. Die Tatsache, dass der Vorsitzende des Repräsentantenhauses eine Mätresse in Rockville aushielt, hob seinen Ruf zwar nicht, beeinträchtigte ihn aber ebenso wenig.
    Doch selbst diese indifferente Haltung seiner Umwelt fand Beal nun beunruhigend. Abhängigkeit von den Normen seiner Sphäre bestimmte sein ganzes Leben, sein bedingungsloser Gehorsam hatte ihm bei den Parteispitzen – und sogar beim Präsidenten – die Rolle eines lebendigen Inventarstücks eingetragen. Unter den gegebenen Umständen war es nur natürlich, dass er auch anderswo zum Jasager wurde. Er brauchte eine starke Hand, die ihn führte. Stuart Ainsworth war eine solche Persönlichkeit, die festen Rückhalt bieten konnte. Der energische Admiral war die perfekte Vaterfigur für den sechzigjährigen Jungen, der nie richtig erwachsen geworden war. Beal wußte, dass Ainsworth seine Affären mit jungen Mädchen nicht billigte, denn der Admiral war nach wie vor ein strenger Moralist, ein kalvinischer Tugendapostel.
    Das war auch einer der Hauptgründe, warum Beal möglichst diskret in Terris Wohnung gekommen war und warum er sich von der Außenwelt abgeschlossen, den Telefonstecker herausgezogen und dem Mädchen verboten hatte, im Schlafzimmer das Radio einzuschalten.
    Nun, im Bad draußen, ließ sie ihr Transistorgerät plärren – ein kleiner Akt der Auflehnung gegen den alten Mann, der sie aushielt und den sie insgeheim verabscheute; dass sie ihn immer mit gebotener Achtung behandelte und Hingabe heuchelte, geschah nur, weil sie faul war und er sehr großzügig.
    Beal wußte, dass er jetzt nicht splitternackt und in Gedanken über seine Karriere versunken auf Terris schwellendem Bett sitzen sollte. Aber er war lethargisch und hatte nicht das geringste Verlangen, in die verregnete kalte Welt außerhalb dieses warmen, parfümierten Zimmers zurückzukehren.
    Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Ainsworth am Vortag. Der Admiral hatte ihn über den ›Allende‹-Zwischenfall informiert, bevor dieses Ereignis publik wurde. Seit der Unterredung konnte sich Beal des Eindrucks nicht erwehren, dass ihn Ainsworth' Vertrauen zu Dingen verpflichtete, die noch nicht klar abzusehen waren.
    Die Tür zum Badezimmer wurde

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