34° Ost
Tate stemmte seine langen Beine gegen den Vordersitz und starrte durch das Fenster auf die öden Sandflächen, die die Straße zum Hubschrauberlandeplatz säumten. »Sagen Sie, Seidel, warum zum Teufel müssen die Kerle immer so heimlichtun? So eine Sache kann doch die unangenehmsten Folgen haben. Es ist alles so verdammt unnötig.«
»Sie kennen die Burschen besser als ich, General«, sagte Colonel Seidel.
»Niemand kann die wirklich kennen. Sie kennen sich selbst nicht. Der Alte ist ein guter Soldat, aber er hat nicht mehr das Kommando. Haben Sie es bemerkt?«
»Ja.«
»Und Rostow ist ein unangenehmer Kerl, wie ich höre. Der ist imstande, Talcott Bailey zum Gabelfrühstück zu fressen.«
»Das Ganze soll doch nur eine Feier zur Verlängerung des Abkommens sein«, sagte Seidel. »Der Vizepräsident ist nicht ermächtigt, irgendwelche Zugeständnisse zu machen.«
»Liz«, wandte sich Tate abrupt an Captain Adams, »hat Captain Jimmy Beaufort Vano und Crissman vom ›Haus der Wahrheit‹ abgeholt?« Er fühlte sich unbehaglich und wollte dringend ins Hauptquartier. Sein Instinkt warnte ihn: Es gab da zu viele Kleinigkeiten, die irgendwie nicht stimmten.
»Sie müßten jetzt schon auf dem Landeplatz sein«, antwortete Liz Adams. Der Ton von General Tates Frage machte sie nervös. Sie ballte die Hände zu Fäusten, so dass sich die Nägel ins Fleisch gruben.
Tate runzelte die Stirn. »Haben der Nachrichtendienst oder die CIA irgendwelche ungewöhnliche Aktivitäten der Arabischen Front bemerkt?« fragte er den Richter.
»Nichts, was Sie nicht schon wüssten, General.«
Tate preßte ärgerlich die Lippen zusammen. Die Guerillas waren gefährlich, denn niemand konnte voraussehen, wie sie reagieren würden, wenn man sie unter Druck setzte. Major Paris behauptete, es gäbe keine Terroristen mehr auf Sinai, aber woher wollte er das wissen? Zehntausend nomadisierende Beduinen lebten auf der Halbinsel und streiften ungehindert quer durch alle Zonen und Frontlinien. Sie ignorierten die Friedenstruppe und die Vereinten Nationen, so wie sie schon immer Ägypter, Hyksos, Römer, Türken und Briten ignoriert hatten. Weder konnte man sie festhalten noch in ihren Wanderungen behindern, denn letzten Endes war dies ihr Land. Wie viele Beduinen waren Guerillas oder unterstützten die Arabische Front? Schließlich waren sie alle Araber.
Bill Tate bedauerte es, die zwei Zeitungsleute mitgenommen zu haben. Vano und Crissman waren anständige Kerle, man konnte aber nie wissen, ob sie nicht irgendwelche Sicherheitsbestimmungen verletzen würden. Er konnte keine Funksprüche vom Hubschrauber aus durchgeben, ja nicht einmal Dale Trask von seiner Luftinspektion des amerikanischen und israelischen Sektors zurückberufen, ohne ihre Neugier zu erwecken.
Thomas Vano war ein alter Hase, der die Verhältnisse in der Zone kannte und dem auch die militärischen Probleme, mit denen sich Tate herumschlug, vertraut waren. Es war möglich, dass er sich in seinen Äußerungen zurückhielt – auch wenn er dann später kritische Berichte schreiben würde über die Missachtung des Artikels 1 der Verfassung und über die ›deprimierenden Auswirkungen‹ der Nachrichtenkontrolle in der Zone. Und der stark linksgerichtete Crissman würde sich eindeutig weigern, in irgendwelcher Weise mit der Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten.
Nein, er konnte es nicht riskieren. Auch die Richtfunkverbindung, die quer durch die Demarkationslinien ging, war nicht sicher genug. Wenn er seine Leute benachrichtigte, dass Rostow auf dem Seeweg kam, würde er General Ulanin vor seinem Politoffizier bloßstellen. Er mußte damit warten, bis er in Es Schu'uts war; kaum eine Stunde Flug, aber selbst diese geringe Verzögerung war ärgerlich.
»Was macht Ihnen Sorgen, Bill?« fragte Seidel.
»Fast alles, Colonel, und doch nichts im besonderen. Einfach ein schlechtes Gefühl. So ging es mir auch in Dak To, kurz bevor die Nordvietnamesen unser Lager stürmten. Zuviel Geheimniskrämerei und zu viele Lügen. Unser Nachrichtendienst ist nicht auf der Höhe, und dass die Russen sich wie Russen benehmen, macht die Dinge auch nicht gerade leichter.« Er unterbrach sich und starrte wieder auf das öde Wadi El Arisch hinaus. »Bei Gott, ich wünschte, wir hätten diese Geschichte in der Zentralen Zone schon hinter uns. Und ich wünschte, sie würden uns einen anderen Mann und nicht den Vizepräsidenten schicken. Der wird uns zu schaffen machen.«
Colonel Seidel teilte Tates
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