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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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von solchen rechtsstaatlichen Grundsätzen überhaupt keine Vorstellung machen konnte, änderte praktisch gar nichts. Wenn – oder sobald – bekannt wurde, dass der Nachfolger des Präsidenten, aus welchen Gründen auch immer, unfähig war, seine Amtspflichten zu erfüllen, mußte der Rangnächste aus der politischen Hierarchie seinen Platz einnehmen. Das war so von Gesetz und Verfassung bestimmt.
    »Ich glaube Ihnen nicht, Colonel. Gesetze sind nichts Unumstößliches«, sagte Leč.
    »Für die Amerikaner sind manche Gesetze absolut unverletzlich«, entgegnete Seidel.
    »Ich habe nicht diesen Eindruck von Ihren Landsleuten. Man kann sich den Gegebenheiten anpassen.«
    Der Richter betrachtete das derbe, grausame Gesicht des Albaners. Einen Bakunisten hatte ihn die Araberin genannt, und das war er: ein Jünger jenes Chaotikers. War es nicht Michail Bakunin, der sagte, Zerstörung sei eine schöpferische Kraft? Ein Mann radikalster Verneinung, der selbst Karl Marx so sehr abstieß, dass ihn dieser von der Ersten Internationalen ausschloss. Der Anhänger eines solchen Denkers mochte auf einen Handel eingehen, aber er würde nie Wort halten. Wenn er bekommen hatte, was er verlangte, würde er Freund und Feind gleicherweise verraten. Ganz gleich, welche ›Anpassung an die Gegebenheiten‹ er verspricht, wir sind so gut wie tot, dachte Seidel.
    »Möchten Sie nicht hören, zu welchen Bedingungen wir Mr. Bailey freilassen werden?« Leč blickte von einem Gefangenen zum anderen. »Nun, ich will es Ihnen trotzdem sagen. Im Tal draußen sind bereits drei amerikanische Hubschrauber gelandet. Ihr Begleiter, der dicke Journalist, Reisman heißt er, wird Ihren Freunden unsere Forderungen überbringen. Erstens, was am leichtesten zu erfüllen ist: Geld. Die Amerikaner werden an einem von uns bestimmten Ort fünfhundert Millionen Dollar in Gold hinterlegen …«
    »Absurd!« stieß Seidel hervor.
    »Keineswegs. Wir sind sogar noch bescheiden, denn unsere Bedürfnisse sind jetzt oder künftig geringer, als Sie annehmen. Zweitens: Abzug aller amerikanischen Einheiten von der Sinai-Halbinsel. Drittens: Entlassung aller arabischen Freiheitskämpfer, die irgendwo auf der Welt eingekerkert sind, und Flugtransport an ein Ziel unserer Wahl.«
    »Nichts davon wird geschehen, Oberst Leč!« rief Seidel. »Glauben Sie mir, nichts!«
    Der Albaner ignorierte dies. »Viertens: Israel verpflichtet sich zur Räumung sämtlicher arabischer Territorien und beschränkt sich auf die im Jahre 1948 durch die UNO festgelegten Grenzen der Teilung Palästinas.«
    »Völliger Blödsinn!« Mehr konnte Bailey darauf nicht sagen.
    »Sie irren, ich finde, dass wir äußerst großzügig und vernünftig sind. Wir könnten ebensogut die Austilgung des Staates Israel fordern – dass die Amerikaner, wenn nötig mit Gewalt, dafür sorgen, dass er von der Landkarte verschwindet. Wenn man alles in Betracht zieht, ist ein Rückzug auf die ursprünglichen Grenzen also kein unbilliges Verlangen.«
    »Was soll der Quatsch?« Zum ersten Mal meldete sich Sergeant Robinson, mit heiserer drohender Stimme. »Wisst ihr Scheißkerle nicht, mit wem ihr redet?«
    »Sei still, Genosse. Für dich haben wir auch eine Rolle. Nur Geduld«, sagte Leč.
    Robinson warf Colonel Seidel einen Blick zu, der Ausdruck seines zerschlagenen Gesichts ließ keinen Zweifel zu, dass er bereit war, endlich etwas zu unternehmen, ganz gleich, wie viele bewaffnete Araber im Raum standen. Robinson fühlte Mordgelüste. Er wünschte den General herbei. Nur Tate und ein paar verlässliche Leute wie diejenigen, die er bei dem Hinterhalt verloren hatte. Das würde schon genügen, um diesem Phrasendrescher das Maul zu stopfen. Das Bewußtsein der Schuld am Tod seiner Kameraden drückte ihn schwer, und er fühlte den unbezähmbaren Drang, dreinzuschlagen. Aber Colonel Seidel schüttelte unauffällig den Kopf.
    »Fünftens: Abzug der amerikanischen Sechsten Flotte aus dem Mittelmeer«, fuhr Leč fort.
    »Miß Jamil, glauben Sie wirklich, dass auch nur eine dieser Forderungen erfüllt würde?«
    Die schwarzen Augen der Araberin funkelten hart. »Sie müssen erfüllt werden.«
    Bailey stöhnte. »Dann sind wir alle verloren. Wir und ihr.«
    »Noch eine letzte Bedingung«, setzte Leč ungerührt hinzu. »Die USA verpflichten sich, einem von uns bezeichneten arabischen Staat ein komplettes Spectre-Bombergeschwader samt Atomwaffen zu liefern. Auf diese Weise haben wir die Gewähr, dass alle Forderungen erfüllt

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