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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Desperados geworden.
    Er lehnte den Kopf gegen die Steinquadern und blickte aus halbgeschlossenen Augen zum Richter hinüber. Ob Seidel wußte, dass Bailey über die Hoffnungen und Pläne des Präsidenten, ihn, Seidel, als Nachfolger aufzubauen, längst informiert war? Wer wäre der bessere Präsident, Seidel oder Bailey? Wäre es einem von ihnen beiden gelungen, jenes behutsam ausgewogene Gleichgewicht der Kräfte zu erreichen, das die staatsmännische Größe des gegenwärtigen Präsidenten ausmachte? Er legte sich diese Frage vor, weil er das dumpfe Gefühl hatte, dass weder er noch Seidel und auch keine der anderen Geiseln hier lebend herauskam. Leidenschaftslos versuchte er abzuschätzen, welche Reaktionen ihre Ermordung in der Welt auslösen könnte. Er war immer gegen den Einsatz amerikanischer Soldaten auf Sinai gewesen. Für ihn war der 34. Meridian nie etwas anderes als eine weitere jener unheilvollen Linien, die man zog, um dann drohend zu verkünden: »Überschreiten auf eigene Gefahr!« Er hegte zwar Sympathien für Araber und Israelis, hatte aber nie die Meinung vertreten, es sei Aufgabe der Amerikaner, die Gegner zu trennen. Die Geschichte hatte beiden Völkern ihren Platz in diesen Gebieten zugewiesen. Und so war er, Talcott Bailey, durch eine Ironie des Schicksals zum Werkzeug in einer Entwicklung geworden, die hier in dieser Wildnis – und vielleicht in der gesamten übrigen Welt – Störungen des Gleichgewichts bewirken konnte.
    Wenn die Araber sie aus einem anderen Grund als blindem Hass festhielten, welche Ansprüche würden sie dann stellen? Er mußte zugeben, dass sie tatsächlich einen hohen Preis ansetzen – nein, fordern – konnten. Ganz bestimmt die Freilassung gefangener Terroristen. Möglicherweise aber viel mehr: den Abzug amerikanischer Truppen von arabischem Territorium. Und würden sie mit dieser Erpressung Erfolg haben? Irgendwie bezweifelte er es. Sie hatten in der Person des Vizepräsidenten der USA ein wertvolles Pfand. Aber doch nicht wertvoll genug, um dafür einen völligen Umschwung der amerikanischen Außenpolitik zu erkaufen. Und deshalb ist es ziemlich sicher, dass wir alle hier krepieren werden, dachte er. Aber damit wäre das alles noch nicht zu Ende. Dann käme die schreckliche Vergeltung.
    Schwere Schritte hallten auf dem Steinboden, Seidel öffnete die Augen, und Sergeant Robinson richtete sich sofort auf.
    Die Posten regten sich und standen auf. Durch das Kirchenschiff kam Leč mit der Frau heran, die sich Leila Jamil nannte. Bailey dachte einen Moment daran, dass Leila auf arabisch ›Nacht‹ bedeutete. Und so war sie, dunkel und still, schön und bedrohlich. Beide trugen Karabiner, es war, als seien die Waffen ein Teil ihrer selbst.
    Talcott Bailey erhob sich; das kostete ihn einige Mühe, aber er ließ es sich nicht anmerken, denn nun galt es, Haltung und Würde zu zeigen. Er sah, dass auch Robinson schon auf den Beinen war. Der Sergeant wirkte gespannt, sprungbereit, als warte er nur darauf, sich auf den Gegner zu stürzen. Aber Gegenwehr war aussichtslos. Eine einzige falsche Bewegung Robinsons, und die Guerillas würden ihn so erbarmungslos niederknallen, wie sie die Mönche töteten, die ihnen Einlass gewährt hatten. Normalerweise betrachtete man Selbstgerechtigkeit nicht als eine der Triebkräfte für Meuchelmord. Dennoch traf diese Charakteristik hier zu und ließ sich immer wieder feststellen. Unduldsame, bis zum Fanatismus gesteigerte Selbstgerechtigkeit war das hervorstechende Merkmal der Radikalen wie der Reaktionären, der Protestbewegungen auf der ganzen Welt, einst und jetzt – jener Bewegungen, denen sich diese Terroristen bedingungslos verschrieben hatten.
    Wie Bailey nun auffiel, hatte Leč sein arabisches Gewand als unnötig gewordene Verkleidung abgelegt und trug einen Tarnanzug mit den Distinktionen eines Ostblockobersten. Erinnerungen tauchten auf, an Militärattachés, die er irgendwann einmal bei einem Empfang in Washington gesehen hatte, und fast automatisch stufte er die Rangabzeichen ein: jugoslawisch oder albanisch. Unter den gegebenen Umständen höchstwahrscheinlich eher albanisch. Unwillkürlich erschien Bailey die Situation absurd, dass er der Gefangene eines Mannes aus einem solchen abenteuerlichen Balkan-Kleinstaat war.
    Das Gesicht des Albaners strahlte vor Triumph. Er pflanzte sich vor dem Amerikaner auf und sagte: »Ich bringe Ihnen wichtige Neuigkeiten und möchte Ihnen gratulieren, erhabener Herr.«
    Bailey, der

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