34° Ost
man solche Gegner zu sehr reizt, dann läuft man Gefahr, zum Schluß doch zu verlieren.«
Lächelnd zeigte Leč seine gelben Zähne. »Es freut mich, dass auch Sie diese Aktion als eine Art Spiel betrachten, Colonel. Mittlerweile wurde daraus viel mehr als ein einfacher Tauschhandel, das gebe ich zu. Ich wollte natürlich meinen arabischen Kampfgefährten helfen und hatte gehofft, dass es mir gelingen würde, Misstrauen zwischen euch und euren sowjetischen Freunden zu säen. Aber ein kleiner Fehler eines Piloten – oder ein berechtigter Sabotageakt einiger schlauer Genossen« – er breitete die fleischigen Hände aus – »und plötzlich bin ich der wichtigste Mann auf der Welt! Das finde ich großartig.«
»Wollen Sie damit sagen, dass sich jemand am Flugzeug des Präsidenten zu schaffen machte?« fragte Seidel scharf.
»Es gibt Gerüchte. Sie kennen doch Ihre Presse. In den Rundfunksendungen heißt es, dass militante Neger dafür verantwortlich sein könnten – schwarze militante Marxisten!« Wieder bleckte Leč die Zähne, als er nun Robinson anblickte. »Genosse, ich gratuliere Ihnen zu diesem Akt zur Befreiung Ihrer Rasse.«
Wortlos spuckte ihm der Sergeant vor die Füße.
»Oberst Leč, ich beschwöre Sie, lassen Sie Mr. Bailey sofort frei.« Jason Seidel sprach eindringlich. »Halten Sie uns übrige weiterhin fest, wenn Sie wollen, aber lassen Sie Mr. Bailey jetzt gehen. Sie wissen nicht, was Sie riskieren!«
»O doch, das weiß ich, Colonel. Warum solche Angst?« Der Albaner wandte sich zu Bailey und blickte ihn kühl an. »Gerade Sie als progressiver Intellektueller sollten meinen Standpunkt verstehen. Seit vielen Jahren verfolge ich mit Interesse Ihre politische Karriere. Bevor Sie Vizepräsident wurden, erklärten Sie oft, das gegenwärtige amerikanische Gesellschaftssystem sei morsch und müsse beseitigt werden, damit ein neues, besseres aufgebaut werden könne. Sie sind bereits ein halber Bakunist, Mr. Bailey. Sicherlich sehen Sie das ein, oder?«
Bailey zwang sich zu einer ruhigen Erwiderung, er appellierte an die Vernunft der Frau, da er merkte, dass sich dieser Mann immer mehr in seine wirren Phantasien von ›schöpferischer Zerstörung‹ verlor. »Miß Jamil, bedenken Sie bitte, was nun geschehen könnte. Versuchen Sie sich vorzustellen, welche Folgen dies für Ihr eigenes Volk haben wird. Man wird die Araber wieder der Barbarei bezichtigen. Aber diesmal wird es nicht bei bloßen Protesten bleiben, wie in München, Lod oder Khartum. In meinem Land gibt es Männer, die nicht ruhen werden, bis ihr zu Tode gehetzt seid. Und damit nicht genug: Jeder, jeder, der euch je geholfen hat, jeder, der euch Waffen lieferte oder euch Schutz gewährte, wird gehetzt und vernichtet werden. Das Wort Araber wird gleichbedeutend mit Mörder sein. Ihr habt euch in ein zu gewagtes Spiel eingelassen. Das Ergebnis wird eine Katastrophe für alle Araber und vielleicht für die ganze Welt sein. Denken Sie darüber nach, Miß Jamil, bevor es zu spät ist!«
Leila runzelte die Stirn, halb und halb glaubte sie dem großen Amerikaner. Aber die Erfahrungen aus den Jahren des Kampfes wogen schwer gegen seine Argumente. »Unsere Freunde werden uns helfen«, sagte sie.
»Sie werden keine Freunde mehr haben. Keinen einzigen«, erwiderte Bailey unerschütterlich.
»Ihre Freunde werden Ihnen nicht helfen können, weil sie genug damit zu tun haben, sich selbst zu helfen. Was Bailey sagt, ist wahr!« Seidel war todernst.
Der Albaner hatte in höhnischem Schweigen zugehört. Als Leila nichts entgegnete, ergriff wieder er das Wort. »Mr. Bailey, bevor Entscheidungen getroffen werden können, müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein.«
»Glauben Sie mir, Oberst Leč, meine Landsleute werden sich zu keinen Verhandlungen mit Ihnen bereit finden«, betonte Bailey. »Dafür sind Sie schon zu weit gegangen.«
»Ich kann mir nicht denken, dass die Amerikaner den gewaltsamen Tod ihres Staatsoberhauptes zulassen werden. Eine solche Gleichgültigkeit haben die USA schon lange nicht gezeigt.«
Auch Seidel versuchte neue Argumente. »Sie verstehen uns nicht, Leč. Menschen Ihres Schlages begreifen das selten. Es gibt bei uns immer einen Politiker, der an die Stelle des Präsidenten treten kann. Immer. So lautet unser Gesetz.«
Im Geist sah Bailey Old Fowler vor sich, und die Vorstellung war beängstigend. Aber der Einwand des Richters stimmte, daran war nicht zu rütteln, und die Tatsache, dass sich ein albanischer Anarchist
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