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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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frühen Nachmittag war das Abu-Mussa-Kommando schon weit vorangekommen und näherte sich den Bergen. Die Sonne senkte sich langsam in die westliche Wüste. Der Landschaftscharakter änderte sich. Sie ritten nicht mehr durch felsübersäte Ebene, sondern durch Hügelland, das von zerklüfteten, ausgetrockneten Wadis durchzogen war. Die Kamele rochen Wasser im trockenen Wind und hoben schnaubend die Köpfe. Tief in Gedanken versunken, ritt Leč schweigend dahin, neben ihm Leila Jamil, hinter ihnen in unregelmäßigen Reihen die Männer des Kommandos.
    »Noch zwei Hügelketten, mein schweigsamer Freund«, sagte Leila, »und dann – Feiran.«
    Leč nickte. Er hatte lange geschwiegen, weil er nachgedacht und einen Entschluß gefaßt hatte. Möglicherweise waren die Männer des Kommandos gute Kämpfer, aber es fehlte ihnen an Disziplin. Das zeigte ihr kindisches Benehmen im Umgang mit Waffen und ihre unbeherrschte Art, wie sie mit Leila, ihrer Anführerin, redeten. Sie bedurften dringend einer Prüfung, und Leč hatte über die Möglichkeiten nachgedacht, die sich dafür anboten. Nachdem sie Feiran erreicht hatten, würde er vielleicht einen kleinen Zwischenfall provozieren müssen, um ihre primitiven Gehirne von der Notwendigkeit bedingungslosen Gehorsams zu überzeugen. Gehorsam ihm gegenüber. Denn Leila hatte an der unbekümmerten Art ihrer Männer offenbar nichts auszusetzen.
    Aber in Feiran warteten ja noch mehr, zwanzig, hatte Leila gesagt. Zwanzig – für die es noch keine Tiere gab. Leč war an solche unvorhergesehenen Schwierigkeiten gewöhnt. Wie es schien, gab es kein Unternehmen ohne Schwierigkeiten. Mit dem Mangel an Disziplin würde er fertigwerden, aber die fehlenden Tiere stellten ein ernstes Problem dar. Er wußte nicht genau, wann der amerikanische Vizepräsident in der Zentralen Zone eintraf. Wollte er seine Leute rechtzeitig an einer Stelle postieren, wo man Bailey mit Sicherheit abfangen konnte, mußten sie in den nächsten Stunden nicht weniger als hundert Kilometer zurücklegen. Es war nötig, einen geeigneten Platz für den Hinterhalt zu finden – und zwar westlich der Grenze zwischen dem amerikanischen Sektor und der entmilitarisierten Zone, wo sich nur die schwedischen Soldaten des UN-Kontingents aufhalten durften. Aber es bestand auch noch die Möglichkeit, den Angriff in der Zentralen Zone selbst zu starten. Dort allerdings konnten sich die Schweden genötigt sehen einzugreifen.
    Leidenschaftslos erwog Leč die Möglichkeiten. Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, gegen die Schweden unter General Gunderssen zu kämpfen, er würde davor nicht zurückschrecken. Er war bereit, ein Drittel der Abu Mussa zu opfern, um die Schweden auszuschalten; unangenehm konnte es nur werden, wenn die Amerikaner ihrem Vizepräsidenten eine besonders starke Eskorte mitgaben. Es erschien Leč wesentlich günstiger, die Zentrale Zone links liegen zu lassen und Bailey irgendwo an der Straße nach Thamad zu überfallen. Es war ganz unwahrscheinlich, dass sich diese paar Schweden, nur mit Seitenwaffen ausgerüstet, am Tage der Vertragsunterzeichnung auf eine Schießerei einließen. Sie würden nicht einmal an der Grenze des amerikanischen Sektors patrouillieren. Durch die Bestimmungen des Abkommens war es den Besatzungsmächten ausdrücklich verboten, in die entmilitarisierte Zone einzufliegen – aber es stand zu erwarten, dass die Amerikaner und möglicherweise auch die Israelis bei einem Angriff des Abu-Mussa-Kommandos nicht zögern würden, die Neutralität der entmilitarisierten Zone zu verletzen.
    Es bestand auch die Möglichkeit, dass die Russen zu früh kamen – womit sie das Kommando vor ein ernstes Problem stellen würden –, aber auch das hielt Leč für nicht sehr wahrscheinlich. Es entsprach eher der Art der Russen, pünktlich zu sein oder sich absichtlich zu verspäten, um die Amerikaner warten zu lassen. Wie auch immer, er zweifelte daran, dass sie den Ausgang des Überfalls in irgendeiner Weise beeinflussen konnten: Talcott Bailey würde bereits tot sein, das ganze Gefüge des Abkommens zwischen den USA und der UdSSR wäre schon erschüttert, wenn nicht gar zerstört. Um das zu erreichen, war Leč bereit, seine ganze Truppe – und sich selber – zu opfern.
    Doch das Problem der zwanzig Mann ohne Kamele und eines Marsches von hundert Kilometern in vierundzwanzig Stunden war noch immer nicht gelöst.
    »Hast du Sorgen, Enver?«
    Die Frau besaß Einfühlungsvermögen, dachte Leč. Selbst

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