34° Ost
drei.«
»Wie viele sind es?«
Rifai zuckte die Achseln. »Vielleicht ein Dutzend, vielleicht zwei.«
»Bewaffnet?«
Die rot umrandeten Augen blieben auf Leč haften. »Einige. Nicht viele.«
»Womit?«
»Flinten. Messer. Schleudern.«
»Sie brauchen nicht mehr. Den Mönchen vom Dschebel Musa stiehlt man keine Schafe.«
»Es sind nicht die Schafe, die wir brauchen, Rifai«, sagte Leila.
Der Wind trieb Leč die Enden seines Keffijeh ins Gesicht. »Gib diesen Männern neue Waffen«, wies er Leila an. »Dann wollen wir zum Wasser hinunter. Wir brauchen etwas Zeit zum Essen. Dann müssen wir uns bereitmachen.«
Die Frau antwortete nichts, drehte sich nur um und gab die nötigen Befehle. Nachdem die Kalaschnikows ausgegeben waren, zog die nun voll ausgerüstete Gruppe den flachen Hang hinab, auf Feiran zu. Während Leč schweigend dahinritt, begann er den Überfall auf die Schäfer zu planen.
Anatolij Igorewitsch Rostow, Stellvertretender Ministerpräsident der Sowjetunion, wartete in der ›Offiziersmesse‹ der ›Allende‹ auf Kommandant Bogdanow und das Landkommando. Durch die offenen Luken hörte er die Geräusche des Flottenstützpunktes und des mit Schiffen der Warschauer-Pakt-Staaten vollbesetzten Hafens.
Das politische Klima der Beziehungen zwischen Sowjets und Ägyptern war abwechselnd milde und stürmisch. Die russische Großzügigkeit in den Monaten vor dem Yom-Kippur-Krieg hatte die Kühle der so genannten ›Ausweisung‹ im Jahre 1972 weitgehend entschärft. Die russische Panik angesichts des Zusammenbruchs der arabischen Armeen gegen Ende des Kriegs von 1973 – als die Juden drauf und dran waren, auf Kairo und Damaskus zu marschieren – hatte diese Kühle nach den Beratungszimmern des Politbüros verpflanzt. Jetzt aber wurde die Freundschaft zwischen Sowjets und Ägyptern – scheinbar – wieder hochgejubelt. Rostow gab zu, dass man dies den Amerikanern zu danken hatte. Hätte es das Zypernabkommen nicht gegeben, dann wären diese idiotischen Ägypter noch immer böse auf ihre früheren Wohltäter, würden ihren verletzten Stolz hätscheln – und alles das, weil die Russen sich nur widerstrebend bereit fanden, die Ägypter für Schlachten auszurüsten, die sie, wie immer schon, verlieren würden. Jetzt war die Allianz wieder gesund – so gesund sie eben sein konnte, dachte Rostow –, weil sie auf dem ägyptischen Traum der Gleichgestelltheit als Signatarmacht des Abkommens beruhte.
Der heiße Abendwind kam durch die Luken und brachte den Gestank der großen schmutzigen Stadt Alexandrien mit. Angewidert rümpfte Rostow seine dickliche Nase. Er kam aus einer Bauernfamilie und hatte nichts gegen ehrliche tierische und menschliche Gerüche, aber hier stank es nach jahrhundertealtem fremdländischem Dreck und Verfall. Ägypten und die Ägypter waren ihm zuwider. Überhaupt waren ihm alle Nichtrussen zuwider, wenngleich er in den vielen Jahren, die er dem Staat schon diente, gelernt hatte, sie zu ertragen.
Es war ein scheußlicher Tag gewesen. Angefangen hatte es mit der Provokation der Sowjetunion durch diesen amerikanischen Piloten im Shrike. Dann war eine ganze Reihe von Botschaften aus Moskau gekommen, in denen er vertraulich gewarnt wurde, aus eigener Initiative nichts zu unternehmen, was das Treffen mit dem amerikanischen Vizepräsidenten in der Zentralen Zone gefährden könnte – Warnungen, die er als unverdient und erniedrigend empfand. Er war sich der Wichtigkeit des Treffens durchaus bewußt und brauchte sich nicht erst vom Politbüro belehren zu lassen. Der Zwischenfall vor der Küste des amerikanischen Sektors hatte ihn verärgert, aber er war ein zu guter Politiker, um nicht zu wissen, wie sich das ausschlachten ließ, um Talcott Bailey in Verlegenheit zu bringen und ihn bei den Verbandlungen in eine ungünstige Lage zu versetzen.
Er hörte das undisziplinierte Geschnatter der ägyptischen Ehrengarde, die am Kai auf sein Erscheinen wartete. Die konnten lange warten. Er hatte nicht die Absicht, auf dem Pier Einzug zu halten. Der ägyptische Sicherheitsdienst war unter aller Kritik.
Den ganzen Nachmittag über, während die ›Allende‹ Kurs auf Alexandrien hielt, hatte er die Flut von Botschaften zwischen Moskau und Washington abgehört. Wie es schien, war der Zwischenfall von einem Kosmos-Satelliten aufgezeichnet worden. Um diese Zeit hatte Anastas Kornulow, der sowjetische Geschäftsträger in Washington, sicher schon den dokumentarischen Beweis in Händen, dass
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