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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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ihm die Hand auf die Schulter und ging mit ihm bis zur Tür. Und während der Speaker zum Kapitol unterwegs war, stieg der Verdacht in ihm auf, dass er manipuliert worden war. Er hatte sich zu etwas verpflichtet. Aber er hätte nicht mit Sicherheit sagen können, was es war.

9
    Nur eine letzte Hügelkette trennte sie von der Oase Feiran. Reiter und Kamele warfen lange Schatten, hinter ihnen stand eine aufgedunsene Sonne über dem sandverschleierten Horizont. Noch eine Stunde war es bis zum Sonnenuntergang, und dann Feiran …
    Enver Leč hob seinen Feldstecher. Er konnte gerade noch den Flecken schmutzigen Grüns ausmachen, der die westliche Begrenzung der Oase darstellte. Verkrüppelte Palmen wuchsen dort, vom Wind gekrümmt, Tamarisken, im Kamsin hin- und herwogende Binsen und Schilfgräser. Zwischen der Hügelkette und der Oase lagen wenige Kilometer mit felsigem Geröll bedeckter Sandwüste. Neben den Felstrümmern entdeckte er einige Menschen, die sich von dem Gestein und dem vertrockneten Buschwerk kaum unterschieden. Er strich sich seinen dichten Schnurrbart, lächelte über die Reglosigkeit der Vorposten und stellte sich im stillen die Frage, wie viele automatische Waffen auf die Reihe der Männer gerichtet waren, die wartend auf dem Kamm der Hügelkette standen.
    »Ich kann deine Vorposten sehen, Leila«, sagte er. Sie sollte wissen, dass er verstand, warum sie die Männer in Feiran gelassen hatte. Kein Fremder hätte sich aus irgendeiner Richtung unbemerkt nähern können.
    »Kannst du auch die hinter dir sehen, Leč?«
    Er drehte sich um und sah, dass eine kleine Gruppe von Männern wie aus dem Boden gewachsen dastand: ein halbes Dutzend, nicht mehr, mit automatischen Gewehren im Anschlag, dunkle Gestalten in losen Gewändern, die sich wie flatternde Flügel vom orangefarbenen Himmel abhoben.
    »Gut, Frau«, sagte er. »Sehr gut.«
    »Es ist unsere Wüste, Leč. Es ist alles, was sie uns gelassen haben, und darum mußten wir lernen, sie zu nutzen.« Sie hob den Arm, um die schweigenden Männer herbeizurufen. Die sandfarbenen Gewänder blähten sich im Wind, und als sie herankamen, fühlte Leč, trotz der Wärme, ein leichtes Frösteln. Die Abu Mussa waren jetzt vollzählig, von ihrer Geschlossenheit gingen zusätzliche Kraft und Bedrohung aus. Diese Männer waren die Elite, der letzte wirklich brauchbare Rest einer Bewegung, zu der einst Tausende gezählt hatten. Die Arabische Front für die Befreiung Palästinas bestand jetzt hauptsächlich aus Politikern und Schwätzern, aus Drückebergern, Verschwörern und Intriganten, die sich ihre Zeit in den Kaffeehäusern von Damaskus und Bagdad vertrieben oder in der Sicherheit der Amerikanischen Universität in Beirut. Früher einmal hatte es die El Fatah, die Nationale Front für die Befreiung Palästinas, und die Gruppe ›Schwarzer September‹ gegeben. Von ihnen allen stand nur mehr dieses Kommando für Aktionen zur Verfügung. Die Juden und deren Freunde hatten die Bewegung zermürbt und zerrieben.
    Er betrachtete die Männer. Eigentlich konnte man sie als männlich-schön bezeichnen, nur die Augen waren wie die von wilden Tieren – schwarz und undurchdringlich.
    »Das ist Leč«, sagte Leila auf arabisch. »Er hat die Waffen gebracht, die uns versprochen wurden.«
    »Und wird er auch kämpfen?« fragte einer der Männer. Er war sehr mager und älter als die übrigen.
    »Besser als die meisten«, erwiderte Leč, vorsichtig die arabischen Laute artikulierend.
    Leila Jamil lachte. »Leč, das ist Rifai. Er hat einmal eine Düsenmaschine von London nach Beirut entführt.«
    Leč entblößte seine langen Zähne zu einem Lächeln. »Und hat sein Abenteuer nicht mit dem Leben bezahlt. Ich gratuliere, Rifai. Bis'mallah .«
    »Das ist Abdullah«, sagte Leila und zeigte auf einen anderen Mann. »Sein Bruder war in Fürstenfeldbruck dabei.«
    Leč nickte vielsagend.
    Leila ging im Halbkreis weiter, sie nannte nur Vornamen.
    Dann sprach sie zu dem Mann, der Rifai hieß. »Sind die Schäfer des Klosters in der Oase?«
    »Die Wasserträger sind da. Die Herden, sagen sie, kommen jetzt aus den Bergen.«
    »Und Kamele?«
    »Ein paar. Ich weiß nicht, wie viele.«
    Leila sah Leč an. »Wir können immer noch marschieren.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wann werden die Schäfer am Wasser sein?«
    Rifai kniff die Augen zusammen und hob den Blick zum sich verdunkelnden Himmel. Wind und Sand hatten rote Ränder um seine Augen gezeichnet. »In zwei Stunden, vielleicht

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