35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
mich auf den schrägen Balken, um nach dem Garten hinüber zu rutschen. Pena war hart hinter mir. Da bot sich uns, indem wir abwärts blickten, ein höchst interessantes Bild.
Der erste Rote hatte ziemlich die Hälfte des Seils, der Zweite aber den vierten Teil desselben zurückgelegt. Beide konnten nicht weiter, schämten sich aber, dies einzugestehen. Sie blickten bald zu uns herauf und bald zur Erde nieder, bis den ersten die Kraft verließ. Er sauste am Seil nieder und dem Zweiten mit solcher Gewalt auf den Kopf, daß dieser sich nun auch nicht zu halten vermochte und beide mit einem höchst erklecklichen Plumps die liebe Mutter Erde begrüßten und noch eine Anzahl Purzelbäume schlugen. Der Indianer ist durchschnittlich ein schlechter Kletterer.
Wir befanden uns schon eine ganze Weile im Garten, als sie dort eintrafen. Sie hatten den gewöhnlichen Weg über die Algarobe eingeschlagen und den einen Diener des Alten wach gerufen. Nun kamen sie mit ihm herangehinkt, daß es eine Lust und Freude war.
Auf meine Frage erfuhr ich, daß der Desierto erst mit Tagesanbruch zur Ruhe gegangen sei, nachdem er die Kundschafter instruiert und fortgesandt hatte. Dann verlangte ich, man solle uns den Yerno heraus in den Garten holen.
Die drei brachten ihn geführt, nachdem sie ihm die Beinriemen gelöst hatten. Er sah ganz übernächtig aus, was kein Wunder war, da er jedenfalls nicht eine Minute geschlafen hatte, und machte ein ganz unbeschreibliches Gesicht, als er uns erkannte. Welches Spiel wir mit ihm getrieben hatten, darüber war er sich nun wohl klar, aber daß wir heute andere und weit bessere Anzüge trugen als gestern, das schien er nicht begreifen und erklären zu können.
„Buenos días, Señor!“ grüßte ich ihn. „Wie haben Sie geschlafen?“
Sein dunkles, unstetes Auge warf mir einen Blick unsagbaren Grimms zu; dann antwortete er mit fast knirschender Stimme:
„Schuft! Sogar der Teufel wird dich einst verschmähen!“
„Was mir sehr lieb sein kann! Doch bevor Sie den Mund noch einmal öffnen, will ich Sie darauf aufmerksam machen, daß ich gern höflich bin und mich ebenso gern höflich behandeln lasse. Um Ihretwillen hoffe ich, Sie haben eingesehen, daß Sie es weder mit Hasenfüßen noch mit Dummköpfen zu tun haben. Ihre Klugheit und Logik ist gräßlich an unserem schlichten Verstand zu Grunde gegangen, und so ist es Ihnen wohl anzuraten, sich eines besseren Tons zu bedienen. Jetzt werden Sie mir sagen, wie Sie heißen!“
„Ich habe es Ihnen gestern gesagt.“
„Sie heißen nicht Arbolo.“
„Ich habe es gesagt und folglich heiße ich so. Ich bin kein Lügner, wie ihr beide.“
Wenn er der Ansicht gewesen war, daß wir uns auch diese dritte Grobheit gefallen lassen würden, so hatte er sich sehr geirrt. Wir beide waren zwar um unsere Pferde, nicht aber um die Peitschen gekommen, die an unseren Gürteln hingen. Ich griff nach der Meinigen, um den Buben zu züchtigen, da aber flog ihm schon diejenige Penas über das Gesicht, daß der Getroffene fast hintenüber gestürzt wäre.
„Da hast du die Antwort, Schurke!“ sagte Pena in aller Ruhe. „Ein Raubmörder, wie du bist, bekommt für jede freche Antwort einen solchen Hieb. Das merke dir. Ich bin Pena, der deutsche Cascarillero. Vielleicht kennst du meinen Namen.“
„Pena!“ entfuhr es dem Yerno. Er war erschrocken, faßte sich aber schnell und fuhr fort: „Ich kenne weder Sie, noch Ihren Namen. Wer Sie sind, ist mir sehr gleichgültig!“
„Sie werden nicht ewig gleichgültig bleiben“, antwortete ich ihm. „Sie wollten die Tobas überfallen und ohne Gnade niedermetzeln. Sie wollten mich und Pena töten und –“
„Wer hat das gesagt?“ unterbrach er mich.
„Sie selbst. Sie sind nicht der einzige Weiße, welcher die Sprache der Mbocovis versteht! Wir kennen jedes Wort, welches gestern gesprochen wurde. Wir haben Sie auch nicht etwa gestern zum erstenmal gesehen, sondern wir beide belauschten Sie und sind Ihnen vorausgeeilt, um dem viejo Desierto Ihre Ankunft zu melden.“
Er stieß einen zischenden Pfiff aus, sagte aber nichts.
„Und ebenso haben wir ihn von der zu erwartenden Ankunft Ihres Schwiegervaters benachrichtigt“, fuhr ich fort.
„Schwiegervater?“ fragte er. „Soll ich etwa einen haben?“
„Natürlich, den Sendador.“
„Ich bin ja unverheiratet.“
„Und werden von den Mbocovis doch nur Yerno genannt? Machen Sie sich nicht lächerlich. Doch das sind Nebensachen. Ich habe Sie aus einem andern
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