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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu.
    „Halt, Señora, noch eins!“ rief ich ihr nach.
    „Ich darf nicht mehr sagen!“ antwortete sie zurück. „Gute Nacht!“
    „Sie sollen auch nichts sagen, sondern ich will Ihnen was mitteilen.“
    Sie blieb stehen.
    „Was denn, Señor?“
    „Señor Adolfo Horno ist vollständig unschuldig.“
    „Adolfo Horno! Sie wissen, wie sein Name hier ausgesprochen wurde! Sie sagen, er sei unschuldig! Himmel! Woher wissen Sie es? Sagen Sie es – schnell, schnell!“
    Sie stand schon wieder bei mir.
    „Jetzt nicht, Señora“, antwortete ich. „Ich habe heute gehört, daß dieser brave junge Mann sich unterwegs nach hier befindet, und hoffe, daß Sie ihn recht bald sehen werden.“
    „Das sagen Sie in diesem kalten Ton! Señor, von wem haben Sie es erfahren?“
    „Von – von – aber bitte nun endlich, Señora, ich muß schlafen!“
    „Sie, ja! Aber ich werde nun nicht schlafen können!“
    „Das schadet Ihnen nichts, denn Ihr Geist wird sich auch im Wachen mit etwas sehr Angenehmem beschäftigen.“
    „Señor, ich muß gehorchen. Aber wissen Sie vielleicht –“
    „Nun, was?“
    „Daß Sie es gar nicht verstehen, mit einer jungen Señorita umzugehen?“
    „Das weiß ich leider schon längst, und nun bitte, gehen Sie zum Oheim, und sagen Sie ihm, daß er Herrn Horn aus Graz sehr unrecht getan hätte. Er soll aber ja nicht auch noch kommen, um mich zu fragen. Gute Nacht!“
    „Ja, ja. Sie haben recht. Der Onkel muß es sofort erfahren. Gute Nacht!“
    Jetzt ging sie in Wahrheit fort.
    „Hm!“ brummte Pena. „Er ist es also doch!“
    „Natürlich! Ich hatte das sichere Gefühl, daß ich mich da nicht irren könne.“
    „Dann Prosit die Mahlzeit, Señor Yerno! Morgen bricht jedenfalls nicht der schönste Tag deines Lebens an!“
    Das dachte ich auch; eine halbe Minute später aber dachte ich überhaupt nichts mehr, denn ich war eingeschlafen. Der reiche Sauerstoff macht, wenn man im Freien schläft, daß man viel eher erwacht und sich mehr gestärkt und erquickt fühlt, als wenn man im Zimmer geschlafen hat. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ich mir den Tau von der Jacke schüttelte und aufstand. Pena erwachte von dem Geräusch dieser Bewegung und sprang auch auf.
    „Guten Morgen! Wieder munter?“ grüßte er.
    „Gruß zurück! Wie eine Forelle.“
    „So kann es also mit dem Yerno losgehen?“
    „Ja. Aber vorher wollen wir ein Bad nehmen. Kommen Sie!“
    „Dann wecken wir den Desierto auf!“
    „Nein. Wir laufen gleich am Kran hinunter.“
    „Wenn Sie das laufen nennen, so möchte ich Sie dann auch einmal klettern sehen!“
    Der Kran stand von gestern abend noch aufgerichtet. Er bildete ein Balkendreieck, von dessen nach außen über die Mauer hinaus gerichteter Spitze das Tau noch hinunter hing. Durch einen ebenso einfachen wie sinnreichen Mechanismus war er sowohl zu bewegen als auch auseinanderzunehmen und wieder zusammenzufügen. Der alte Desierto hatte wirklich hier in dieser Wildnis außerordentlich viel zustande gebracht. Ich kletterte an dem schrägen Balken hinaus bis zum Seil und ließ mich an demselben hinab. Pena folgte mir. Als wir unten angelangt waren, kam ihm ein Bedenken.
    „Baden?“ fragte er. „Es gibt ja Krokodile massenweise in der Lagune!“
    „Ich sah eine Stelle, wo es gewiß keine gibt. Kommen Sie nur!“
    Etwas aufwärts vom Landeplatz war ein Viereck abgedämmt, welches den Indianern jedenfalls als Badebassin diente. Dort erquickten wir uns in dem frischen Wasser und gingen dann ins Dorf, wo alles bis auf einen einzigen Menschen noch zu schlafen schien. Dieser Einzige stand an der Tür und sah nach dem Wetter aus, gerade wie ein deutscher, zivilisierter Spießbürger des Morgens seinen Kopf aus der Tür steckt, um zu erfahren, ob es Sonnenschein oder Graupelwetter geben werde. Er hatte zu den Männern gehört, welche gestern in dem Bethaus postiert waren, und konnte ein wenig spanisch radebrechen. Das war mir lieb. Ich sagte ihm, er solle noch einen kräftigen Kameraden holen und dann mit uns kommen. Er ging, um diesen Befehl auszuführen, und kam bald mit noch einem Indianer. Sie folgten uns, nachdem wir ihnen gesagt hatten, daß wir hinauf auf den Felsen wollten. Da, wo das Seil des Krans die Erde berührte, blieb ich stehen und warf Pena einen fragenden Blick zu. Er nickte lächelnd, und so ergriff ich das Tau und turnte mich empor. Pena tat dasselbe. Wir riefen den beiden Roten zu, uns zu folgen, und sie gehorchten. Oben angekommen, schwang ich

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