Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
niemandem.“
    „Oho! Lüge nicht! Aber wenn du uns täuschen willst, so kannst du nicht verlangen, daß wir dich als einen uns freundlich gesinnten Mann betrachten. Also heraus mit der Sprache!“
    Ich hielt ihn noch gefaßt und schüttelte ihn bei meinen letzten Worten derb. Hatte er bisher keine Spur von Mut sehen lassen, so brach er jetzt unter meiner Hand beinahe zusammen. Er hing an derselben wie ein Hund, den man beim Fell gepackt hat, und schrie voller Angst:
    „Ich bin Ihr Freund, ich bin Ihr Freund. Glauben Sie es doch, und lassen Sie mich los.“
    „Nicht eher, als bis du der Wahrheit gemäß geantwortet hast. Also sage, wer befindet sich bei dir?“
    „Noch fünf Aymaras.“
    „Was treibt ihr in dieser Gegend?“
    „Wir jagen wilde Lamas, wie Sie gesehen haben, denn ich hatte jetzt eins bei mir liegen.“
    „Du bist ein sehr dummer Kerl, denn mit diesen Worten hast du verraten, daß du mich belügst. Der Lamas wegen geht man nicht in die Berge, sondern aus anderen Gründen. Das Lama erlegt man nur nebenbei, um Speise zu haben. Wenn ihr also alle sechs Fleisch holt, so müssen noch viele andere da sein, welche es essen wollen. Sechs Jäger erlegen mehr, als sie essen können, und man erschießt das Wild nicht nur zu dem Zweck, es verfaulen zu lassen. Da du uns betrügen willst, so sollst du deinen Lohn haben. Es ist aus mit dir.“
    Ich hielt ihn noch immer mit der Linken beim Genick gefaßt. Mit der Rechten zog ich mein Messer und holte wie zum Stoß aus, hatte aber keineswegs die Absicht, diese Drohung auszuführen. Sie hatte die gewünschte Wirkung. Der Rote faltete die Hände und rief mit zitternder Stimme:
    „Nicht stechen, Señor, nicht stechen! Ich will die Wahrheit sagen, obgleich mir das sehr streng verboten worden ist.“
    Ich ließ ihn los, stellte ihn so, daß er mir sein Gesicht zukehrte, behielt aber das Messer noch hoch in der Hand und antwortete:
    „Das ist dein Glück, denn eine Sekunde später hättest du dieses Eisen im Leib gehabt. Also rede! Bist du wirklich ein Aymara?“
    „Ja. Und es ist auch wahr, daß noch fünf Stammesgenossen bei mir sind. Wir wollen Wollmäuse jagen, deren Felle von den Weißen so gut bezahlt werden. Da aber trafen wir mit anderen zusammen, denen die Lebensmittel ausgegangen waren und die uns darum in ihren Dienst nahmen, damit wir für sie jagen sollten, weil sie selbst keine Zeit dazu hatten.“
    „Warum das nicht? Womit waren sie denn beschäftigt?“
    „Mit – nichts“, antwortete er mit dem dümmsten Gesicht, welches man sich nur denken kann.
    „Ja, mit nichts“, nickte ich ihm zu, „denn das Warten kann doch nicht als Arbeit gelten. Diese Leute warten am Salzsee der Pampa de Salinas auf jemand?“
    „Ja.“
    „Kennst du sie?“
    „Das soll ich nicht sagen.“
    „So werde ich dir den Mund öffnen. Bedenke, daß du zwischen Leben und Tod zu wählen hast! Ich scherze nicht!“
    Seine Augen waren bis jetzt fast ausschließlich auf mich gerichtet gewesen. Nun irrte sein Blick ratlos im Kreis umher, und da schien er zu ahnen, mit wem er es zu tun hatte.
    „Himmel!“ rief er aus. „Da befinde ich mich wohl gerade bei denen, welche uns nicht sehen sollen! Gehören diese roten Männer zu den Tobas?“
    „Allerdings.“
    „Sie wollen nach der Pampa de Salinas, um den Sendador zu bestehlen?“
    „Nein“, antwortete ich, lachend über seine Naivität. „Ich weiß, daß er es ist, in dessen Dienst du dich befindest. Hat er uns als Diebe geschildert?“
    „Ob er Sie gemeint hat, das weiß ich nicht. Oder doch – doch! Sie müssen es sein. Es stimmt ganz genau. Er hat Sie uns geschildert. Nun bin ich verloren!“ Er hatte mich während dieser Worte genauer betrachtet, und man sah deutlich, welchen Schreck er jetzt empfand.
    „Der Sendador hat euch belogen“, entgegnete ich ihm. „Nicht uns, sondern ihn habt ihr zu fürchten. Wir sind ehrliche Leute.“
    „Aber Sie kommen als Feinde des Sendadors?“
    „Allerdings. Er ist der größte Bösewicht, den es gibt, und wir wollen ihm das Handwerk legen. Wer ihm dient, fällt in die gleiche Strafe.“
    „Señor, ich habe nicht gewußt, daß er so schlimm ist. Ich diene ihm nur, weil er mich bezahlt; sonst aber habe ich nichts mit ihm gemein.“
    „Und dennoch weigerst du dich, uns der Wahrheit gemäß Auskunft zu erteilen? Du widersprichst dir selbst.“
    „Weil ich nicht weiß, was das richtige ist und was ich machen soll. Der Sendador ist ein berühmter Mann, der sich rächen würde,

Weitere Kostenlose Bücher