35 - Sturm über Vallia
gewisse Grenzen, beim Flinkfingrigen Diproo!
Es hatte keinen Sinn, diese Leute anzutreiben. Sie wußten, was sie wußten, und verstanden sich auf ihr Handwerk. Silda nahm eine Paline vom Teller und hielt die kleine gelbe Beere einen Augenblick lang zwischen den Fingern, ehe sie das Wort ergriff.
»Ich wußte, daß ihr Meister eures Handwerks seid. Aber natürlich fehlt euch das erforderliche Können ...«
Daraufhin gab es lautes Geschrei; sie hatten es nicht gern, wenn man ihre Fähigkeiten als professionelle Diebe in Frage stellte. Der Geschickte Kando brachte die Runde schließlich zur Ruhe und schaute Silda bedeutungsvoll an.
»Meine Dame, du hast uns noch nicht verraten, warum du das Gold des Königs stehlen willst.«
»Warum nicht? Es gehört ihm nicht, wie wir schon festgestellt haben. Außerdem ist er ein schlechter Einfluß für das Land. Das wissen wir alle.«
»Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Die Kovneva war anders. Damals herrschten gute Zeiten.«
Silda wußte einiges über Katrin Rashumin; die meisten Informationen stammten von ihrem Vater. Die Kovneva hatte ihren Mann verloren und danach die Insel mit schwacher Hand und durch eine unfähige, anfällige Verwaltung verkommen lassen. Der Herrscher hatte ihr geholfen, diese Probleme zu lösen, und so hatte Rahartdrin bis zur Zeit der Unruhe eine neue Blüte erlebt.
Die Bewohner Rahartdrins, die Raharter, hätten nichts lieber getan, als König Vodun Alloran von ihrer Insel zu vertreiben und in seine eigene Provinz Kaldi zurückzujagen. Vielleicht hätten sie bei entsprechender Gelegenheit sogar mehr gemacht. Aber es führte nun mal kein Weg an den dunkel gekleideten Männern und Frauen mit den Armbrüsten vorbei, die überall zu sein schienen. Außerdem mußte man nach Spionen Ausschau halten, und Silda war dankbar, daß die Teilnehmer dieser Runde außerhalb jedes Verdachts standen.
Silda hatte den Eindruck, daß die Anwesenden noch nicht richtig überzeugt waren. Nun kam der Geschickte Kando auf einen wichtigen Einwand zu sprechen.
»Meine Dame, müssen wir bei den Wachen mit Pachaks rechnen?«
»Nein.«
Damit war ein Hindernis aus dem Weg geräumt, denn Pachaks sind bekannt für die Ehre und Präzision, mit der sie ihre Pflichten als Söldner erfüllen. Pachaks, die strohgelbes Haar und zwei linke Arme, einen rechten Arm und eine kräftige Schwanzhand besitzen, geben ihr Nikobi und bleiben auf dem Weg der Ehre, bis sie von ihrem Arbeitgeber entlassen werden oder auf dem Schlachtfeld sterben.
Silda verschwieg, daß mit großer Wahrscheinlichkeit Katakis zu den Gegnern gehören würden. Aber um dieses Problem mußte sie sich irgendwie herumarbeiten.
Yolande die Gregarian stand auf. Eine kräftige Frau, rund von Muskeln, hatte sie schon vier Ehemänner unter die Erde gebracht und war auf der Suche nach dem fünften. Ihr Gesicht zeigte, daß sie ein kämpferisches Leben geführt hatte. Yolande konnte vor allem mit einer Seilschlinge umgehen. Zuerst hatte sie sich sehr gegen das neue, schlanke Mädchen ausgesprochen, die sie insgeheim auch verabscheute; als ihr aber aufging, daß Lyss die Einsame nicht die Absicht hatte, Yolande die Männer ihres Lebens abspenstig zu machen, hieß sie Lyss als Gefährtin unter den Männern willkommen.
»Meine Loyalität gehört weiter Kovneva Katrin. Ich kämpfe gegen den neuen, verabscheuungswürdigen König. Außerdem brauche ich das Gold, denn ich werde bald wieder heiraten.«
Diese Bemerkung beunruhigte die Anwesenden mehr als jede andere Entscheidung Yolandes. Silda nutzte die Gelegenheit, äußerte sich kurz und beredt, warf einen Blick auf Lon und schwieg wieder.
Nun lag die Entscheidung beim Fünfhändigen Eos-Bakchi.
Drak folgte dem Mädchen im weißen Schal aus seinem Zelt. Die Wachen grüßten. Er sah Endru im Gespräch mit einer der Wächterinnen der Königin und rief hinüber: »Endru – ich gehe zur Königin. Du brauchst die Männer nicht zu alarmieren.«
»Quidang!«
Endru und Carlotta schauten hinter dem Prinzen und dem Mädchen her, die auf das Zelt der Königin zugingen.
Fackelschein bildete helle Höfe rings um die Zelte. Das allgegenwärtige Murmeln und Brausen einer rastenden Armee schwebte über dem Lager. Carlotta und Endru setzten ihr Gespräch fort.
Das Mädchen mit dem weißen Schal und Drak verschwanden in der Dunkelheit zwischen zwei Lichtfeldern.
»Ich könnte mir denken, du berühmter Kampeon«, sagte Carlotta scherzend zu Endru, für den sie großen Respekt
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